1) Stellen Sie sich und Ihren Betrieb kurz vor.
Mein Name ist Jens Petermann, ich werde in diesem Jahr 50 Jahre alt und bin mein halbes Leben lang Landwirt. Der Betrieb, die Produktivgesellschaft Dannenberg mbH, ist ein mittlerer Landwirtschaftsbetrieb mit einer Größe von 750 ha inklusive 50 ha Grünland auf arrondierter Fläche. Es handelt sich um einen Mischbetrieb in Kombination mit einer Milchproduktion mit 160 Kühen und einer eigenen Nachzucht. Als neuer Geschäftsführer habe ich den Betrieb 2003 als GmbH übernommen. Wir produzieren Marktfrüchte, wie Getreide, Raps, Körnermais, Zuckerrüben, Sonnenblumen und Lupinen. Für die Milchproduktion bauen wir zudem Futterpflanzen wie Silo-Mais, Kleegras, Landberger Gemenge und ein Sommergerste/Lupine-Gemisch an. Wir versuchen, dezentrale Strukturen aufzubrechen und wieder regionaler und zentraler zu werden, z.B. mit der Direktvermarktung unserer Rohmilch. Ich möchte diesbezüglich auf unsere Internetseiten: www.der-land-wirt.info und www.der-dannenberger.de verweisen.
2) Was sind Ihre zentralen Themen/ Aufgabenfelder?
Funktioniert die Basis, also der Boden, sind auch Qualität und Gesundheit der Produkte gegeben. Alle Betriebszweige hängen unmittelbar von seiner Beschaffenheit ab, so dass der Boden als zentrales und treibendes Thema in den Fokus gerückt ist. Ein wichtiges Aufgabenfeld sehe ich zudem in der Kommunikation mit der Bevölkerung über diese Erkenntnisse. Mit unserer Direktvermarktung und der dadurch entstehende Kontakt mit den Kunden und Dorfbewohnern kann wieder gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden.
3) Welchen Zusammenhang haben unsere Gesundheit und ein guter Boden?
Die menschliche Gesundheit ist ein zentrales Thema der heutigen Zeit. Wir werden statistisch gesehen zwar immer älter aber nicht unbedingt gesünder. Der Ursprung dessen liegt im Boden selbst. Unsere Böden waren einst gerodete Waldflächen mit einer unheimlich hohen Vielzahl an Mikro- und Makroorganismen. Durch unsere Art und Weise der Bewirtschaftung haben wir sie und ihre Bodenbiologie verändert. Den Pflanzen fehlen dadurch Synergien und vielseitige Stoffwechselprodukte der ehemaligen Bodenbewohner für ein gesundes Wachstum, um dem Menschen als letztem Glied in der Nahrungskette eine gesunde Grundlage zu bieten. Unser Immunsystem ist für sein Funktionieren auf diese biologischen Informationen angewiesen. Gerade in der heutigen Zeit werden Nahrungsmittel wie aus einem Baukasten zusammengesetzt und sind dadurch von minderer biologischer Qualität. Ich will damit nicht sagen, dass die produzierten Nahrungsmittel keinen materiellen Wert haben, wir reden hier über die biologische Qualität eines Lebensmittels. Wenn diese nicht gegeben ist, leidet das gesamte Leistungsvermögen desjenigen, der es aufnimmt: Fruchtbarkeitsstörung, Ernährungsstörung bis hin zu gesundheitlichen Folgen. Diese Aussage ist nicht neu und kann in zahlreicher, vor allem älterer Literatur, nachgeschlagen werden.
4) Wann und warum begann Ihre Reise in den Boden?
Begonnen hat alles im Jahr 2007 als ich auf meiner Fläche in einer riesigen Erosionsrinne stand und der Boden auf dem Weg war sich zu verabschieden. Da ich derjenige war, der die Flächen seit 2003 bewirtschaftete, begann ich meine bisherige Herangehensweise in Frage zu stellen. Warum war der Boden in so einem zerbrechlichen Zustand? Ich untersuchte den Boden, sprach mit Gleichgesinnten und bekam mithilfe von speziellen Bodenproben letztendlich meine Antworten. Die Zusammensetzung des Bodens hat ein definiertes und wissenschaftlich beschriebenes Optimum. Wenn die chemische und physikalische Zusammensetzung kippt, ist eine biologische Qualität und Quantität und nicht mehr gegeben. Wir reden hier von einem System, das relativ schnell zerstört wird, aber entsprechend lange braucht, um wieder zu entstehen.
5) Durch falsche Nutzung geht jährlich wertvoller Boden verloren. Die Landwirtschaft trägt Mitverantwortung. Warum?
Unsere Böden haben sich nach der letzten Eiszeit vollständig neu gebildet und sind nicht sehr alt. Sie besitzen territorial eine Bodenauflage von ca. 15 bis 25 cm mit nachweislichen Spuren biologischer Aktivitäten. Verwirtschaften wir diese Schicht, geht alles, was sich über diesen langen Zeitraum gebildet hat verloren (Humusabbau). Für die Entstehung von 10 cm solchen biologischen Bodens benötigt die Natur 2000 Jahre.
Die Bodenfruchtbarkeit sehe ich dann beeinträchtigt, wenn das „System Boden“ nicht verstanden wird. Physik, Chemie und technischer Verstand werden gelehrt, doch wer beschäftigt sich schon mit dem Thema Bodenbiologie? Wir haben dem Boden im Laufe der Zeit viele Lebewesen entzogen, die für den Einbau von Kohlenstoff und den Aufbau von Humus verantwortlich sind. Die Landwirtschaft setzt den Boden zudem großen physikalischen Einflüssen, wie schweren technischen Geräten und intensiven Bearbeitungsverfahren, aus. Viele Verluste an Bodenqualität werden nicht sichtbar. Sie werden durch Bearbeitung und Vegetation für unser Auge kaschiert. Wenn aber Spaten und Sonde den Boden nur schwer durchdringen geht es den Wurzeln der Pflanze genauso! Verschlechterung der Luft- und Wasserverhältnisse sind die Folge. Zwei Elemente, die für das Bodenleben von größter Bedeutung sind.
Durch Bodendegradierung verlagern sich hochwertige Bodenteilchen (Tonteilchen) in untere Schichten. Geben wir den Bodenbewohner und Pflanzen mit ihren Wurzeln die Chance, können derartige Bewirtschaftungsfehler geheilt werden. Das ist ein langwieriger Prozess, was zugleich ein Abweichen von ursprünglichen Furchtfolgen und Anbausystemen bedeutet. In der heutigen Zeit ist das ein marktwirtschaftliches Problem. Ich bin mir bewusst, dass ich an einem Berufs- und Weltbild rüttle und konventionelle landwirtschaftliche Denkschemen in Frage stelle. Selbstverständlich hat die Landwirtschaft nicht nur Schaden angerichtet, sie hat unsere heutige Bevölkerungszahl überhaupt ermöglicht. Die heutige intensive Bewirtschaftung unserer Böden wird aber mittlerweile von vielen Menschen kritisch betrachtet.
6) Kann ökologischer Landbau die Bodenfruchtbarkeit langfristig und nachhaltig verbessern?
Ich finde es sehr bewundernswert, wenn Landwirte aus innerer Überzeugung keine naturfremden Substanzen mehr verwenden möchten und auf biologischen Anbau umstellen. Wenn sie jedoch nicht genügend Wissen über das System Boden mitbringen, können in der ökologischen Bewirtschaftung auch eine Menge Fehler passieren. Organische Düngung muss richtig eingesetzt und verstanden werden, sonst werden Pflanzen einem Zustand des Mangels oder einer Phase der Überernährung ausgesetzt. Darin sehe ich ein großes Problem. Ziel sollte es sein, einen von der Keimung bis zur Ernte hin ausgeglichenen Zustand zu erreichen. Gesunder Boden bedeutet 50 % Boden, 25 % Luft und 25 % Wasser. Diese Zusammensetzung ist nur gegeben, wenn der Boden chemisch, physikalisch und biologisch in Ordnung ist. Ist dieser Zustand gewährleistet, entsprechen die drauf wachsenden Produkte dem höchsten biologischen Standard. Konventionell oder biologisch angebaut! Ich bin der Meinung, dass nicht der Umstieg von konventionell auf „Bio“ entscheidend ist, sondern dass das System Boden verstanden werden muss.
7) Unser Boden ist eine lebensnotwendige Ressource und muss geschützt werden. Wer setzt es um?
Ich denke, dass mit der neuen Verbrauchergeneration eine Menge in Bewegung gekommen ist. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass der einzelne Bauer vor Ort die Aufgabe trägt. Er steht jedes Jahr aufs Neue vor der Entscheidung, wie er sein Geld einsetzt, um davon leben zu können. Wir sind alles Individuen, die sehr auf Sicherheit bedacht sind und auch der Landwirt muss täglich ein Wirtschaftssystem meistern, das ihm diese Sicherheit gibt. Wird seine bis dahin erfolgreiche Herangehensweise angezweifelt und verspricht die neue Methode nicht gleichzeitig denselben Ertrag, macht es niemand.
Es handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem. Der Landwirt ist ein normaler naturverbundener Handwerker, kein Wissenschaftler. Diejenigen, die über das einfache Handwerk hinaus denken können, sollten sich der Aufgabe stellen, Probleme der Landwirte praxisnah zu begleiten und nicht auf den Verkauf von Produkten zu reduzieren.
8) Wie leisten Sie Ihren Beitrag dazu?
Ich habe versucht, mein Anbausystem dem Bodenschutz auszupassen, d.h., ich bewurzele den Boden ganzjährig und gewährleiste damit seinen natürlichen Verbau. Wenn es mir darüber hinaus gelingt, die empfindliche Oberfläche immer zu bedecken, schütze ich den Boden vor chemischen und physikalischen Einflüssen. Diese Strategie versuche ich auf allen meinen Flächen erfolgreich umzusetzen.
Ich sehe ein Hindernis in der Breitenwirkung. Der Weg zurück zum gesunden Boden ist keine kurzfristige Unternehmung. Längerfristige Anstrengungen mit kleinerer Rendite scheitern in unserer schnelllebigen Gesellschaft an den zu hohen Erwartungen und dem vorherrschendem Erfolgsdruck!
9) Was können Sie Landwirten /-innen zum Thema Bodenschutz mit auf den Weg geben?
Ich habe meine Erfahrungen gemacht und teile diese gern. Nicht der Landwirt sondern der Bodeneigentümer ist das entscheidende Glied in der Kette. Derjenige, der Boden besitzt, muss wissen was er da besitzt und was zur Verbesserung oder Verschlechterung führt. Wenn er seinen Boden nicht selbst bewirtschaftet und sein Eigentum zur Bewirtschaftung Dritten anvertraut, muss er diese kritisch hinterfragen. Ich denke das ist eine sehr wichtige Botschaft.
Vielen Dank für das Interview!
Johanna Sabeh, Umweltbüro Lichtenberg