Der große Medienaufschrei im Sommer 2018 dürfte wohl niemandem entgangen sein: Amazon verschrottet massenweise Retouren, also Ware, die wieder zurückgeschickt wurde, Alt- und sogar Neuware. Ein Skandal, der einigen die Augen geöffnet hat, was unsere Konsumgesellschaft betrifft. In Handelskreisen gehört dies aber schon längst zum Alltag. Nicht nur Amazon verschrottet neuwertige oder noch gut nutzbare Ware. Nahezu jedes Handelsunternehmen weiß sich angesichts der enormen Menge an Retouren und Waren, die nicht verkauft werden, nicht anders als mit der Schrottpresse zu helfen.
Die Gründer des Unternehmens Retoura (https://www.retoura.de/) haben sich diesem Problem angenommen. Ihre Idee: Retouren und B-Ware, also Artikel, die als Ausstellungs- und Vorführungsstücke gedient haben und nicht mehr als neuwertig verkauft werden können, ankaufen, aufwerten, auf ihre Funktionalität und Qualität testen und dann wieder zum Verkauf anbieten. So bleiben Produkte, die sonst vernichtet werden würden im Warenkreislauf.
Ware, die von Konsument:innen oder Unternehmen aussortiert wird, kann auf verschiedenen Wegen in den Wiederaufbereitungsprozess von Retoura gelangen. Die Firma bietet anderen Unternehmen an, als deren Retouren-Adresse zu agieren. Das bedeutet, dass Artikel, die zurückgesendet werden, direkt zum Retoura-Standort in Zehdenick geliefert werden. Gleichzeitig kauft der Betrieb Restposten und Retouren gebündelt auf. Auch Privatpersonen, die für Produkte keine Verwendung mehr finden, können diese bei der Warenannahme abgeben.
Die Artikel werden eingehend untersucht, aufbereitet und schließlich wieder zum Verkauf angeboten. Wenn ein Gerät nicht mehr funktionsfähig ist, wird geprüft, ob sich die Einzelteile weiterverwenden lassen, ist auch dies nicht möglich, werden die Teile recycelt.
Die gerettete Ware wird in Berlin an drei Standorten verkauft: In der Havelpassage in Hennigsdorf und in der Berliner Straße in Fehrbellin findet man zwei unter dem Namen Power-Agent Sonderverkauf bekannte Verkaufsstellen, im Lindencenter in Lichtenberg gibt es den „Retoura Sonderverkauf Berlin“. Etwas außerhalb von Berlin liegt der Standort Zehdenick, dieser dient der Annahme, Aufbereitung und Verteilung der Waren. Dort gibt es einen wöchentlichen Lagerverkauf, Retoura betreibt zudem einen Online-Shop (https://shop.retoura.de/).
Bei dem zweiten Unternehmen, welches ich hier vorstellen möchte, handelt es sich um die Berliner Stadtreinigung (BSR), genauer gesagt um das im August 2020 eröffnete und von der BSR geführte Gebrauchtwarenkaufhaus NochMall (https://www.nochmall.de/).
Der Grundgedanke ist derselbe: Ware vor der Verschrottung retten und wieder zum Verkauf anbieten. Der Slogan Alles außer neu ist Programm.
Artikel, die hier verkauft werden, stammen zu großen Teilen von den BSR-Recyclinghöfen im Hegauer Weg (Steglitz-Zehlendorf) und in der Lengeder Straße (Reinickendorf). Dort können Geräte und Gegenstände, die nicht mehr benötigt oder repariert werden können, abgegeben werden. Aber auch in der NochMall selbst kann man seine Ware abgeben.
Grundsätzlich wird dort von Möbeln über Kleidung und Haushaltgeräten bis zu Büchern und anderen Medien alles außer Weißer Ware (Elektrogeräte wie Geschirrspülmaschinen, Kühl-und Gefrierschränke, Herde und Waschmaschinen) angenommen und verkauft.
Die NochMall bietet zusätzlich zum Verkauf auch verschiedene Workshops, Repair-Cafes und Veranstaltungen wie den Abfall-Freitag oder Auktionen an. Sie ist außerdem mit einem Pop-Up-Store im B-Wa(h)renhaus am Hermannplatz vertreten.
Retoura und die NochMall sind nur zwei von vielen Unternehmen, Vereinen und Organisationen, die sich den Kampf gegen unsere Wegwerfgesellschaft zur Aufgabe gemacht haben. Doch es liegt an uns, diese Idee weiter auszubauen und zu unterstützen. Fast noch wichtiger ist es allerdings, unser Konsumverhalten zu überdenken und zu ändern und somit die enorme Verschwendung zu stoppen, die uns in Zeiten, in denen wir Dinge lieber aus- und umtauschen statt sie zu reparieren oder umzunutzen auf Schritt und Tritt verfolgt.
In Lichtenberg hat jeder Interessierte zweiwöchentlich freitags die Möglichkeit kaputte oder beschädigte Dinge im Repair-Café in der Liebenwalder Straße zu reparieren. Unter dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" wird gemeinsam an den Geräten geschraubt und getüfftelt. Kontakt kann unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! aufgenommen werden.