Das US-amerikanische Großunternehmen Monsanto brachte 1974 zum ersten Mal „Round up“ auf den Markt, ein Pflanzenschutzmittel, das mit dem Wirkstoff Glyphosat so genannte „Unkräuter“ bekämpfen sollte. 1996 gelang es Monsanto erstmalig genmanipulierte Sojabohnen zu produzieren. Das Ziel: Pflanzen züchten, die durch das Glyphosat nicht abgetötet werden. Das konnte mithilfe von Gentechnik erreicht werden und Monsanto brachte Soja, Mais, Raps, Zuckerrüben, Baumwolle und Alfalfa auf den Markt, die „Round up ready“ sind, also resistent gegen das Gift. Monsanto ist dadurch zum führenden Glyphosat- und Gensaatguthersteller geworden. Im Jahr 2013 wurden bereits auf 175 Millionen Hektar weltweit genmanipulierte Pflanzen angebaut. Die EU bezieht jährlich 36 Millionen Tonnen Gen-Soja, bei dessen Anbau u. a. eben auch Glyphosat verwendet wurde, für die heimische Tierfütterung. Über Eier, Milch und Fleisch gelangt das Glyphosat somit auch auf unsere Teller. Mittlerweile ist Glyphosat auch auf unseren Äckern angekommen und wird auch im öffentlichen Straßenland sowie in Kleingärten verwendet.
Ein niedriger Preis, einfache Arbeitsgänge und Handhabung, das scheinen auf den ersten Blick die Vorteile des Pflanzenschutzmittels zu sein. Pestizide haben jedoch auch negative Wirkungen auf Boden, Gewässer und Lebewesen. Glyphosat fördert krankheitserregende Pilze, beeinträchtigt die Aufnahme von Nährstoffen in die Pflanze, mindert den Ertrag, verstärkt Pflanzenkrankheiten und ist giftig für Amphibien, Fische, Regenwürmer, Vögel und Spinnen. Namhafte Naturschutzvereine wie der NABU und der BUND weisen außerdem darauf hin, dass das derzeitig diskutierte Insektensterben durch die Nutzung von Glyphosat verstärkt wird. Gründe sind die eintönigen Agrarlandschaften, in denen kein Platz für artenreiche Wiesen, Hecken, Stauden und andere Lebensräume ist. Monokulturen bieten keine Nahrungsgrundlage für Insekten. Bereits drei Jahre nach dem Beginn des Gensojaanbaus kam es außerdem zu einer starken Zunahme von resistenten Unkräutern. Diese Pflanzen lassen sich nicht mehr mit Glyphosat bekämpfen und ihre Zahl steigt stetig an. Die Folge: Es wird noch öfter gespritzt, die Dosierung wird erhöht und zusätzlich müssen Pflanzengifte mit anderen Wirkstoffen verwendet werden.
Doch was bedeutet das für den Menschen? Ende 2015 hat das Umweltbundesamt eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass Glyphosat im menschlichen Urin nachgewiesen wurde. 2001 wurde der Stoff in 10 % der Proben entdeckt, 2012 bereits in 60 %. Gravierende gesundheitliche Risiken für den Menschen sind zu befürchten. Es gibt Hinweise auf eine hormonelle Wirkung, auf Krebs, Zelltod, Fruchtbarkeitsstörungen, Schädigung von Erbgut, Störungen der Embryonalentwicklung und Beeinträchtigung von Leber und Niere. Um die Gefährlichkeit auf den Menschen einschätzen und beurteilen zu können, müssen Pflanzenschutzmittel regelmäßig überprüft werden.
Auch Glyphosat muss dieses Verfahren der Neuzulassung regelmäßig durchlaufen. Bis Ende Juni 2016 sollte über die Verlängerung der Zulassung entschieden werden, theoretisch kann sie bis zu 15 Jahre umfassen. Im März 2015 hat die Arbeitsgruppe für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend für den Menschen ist. Die Studie wurde dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorgelegt und sollte in den Zulassungsendbericht für die Europäische Kommission einbezogen werden. Das BfR hat die Studie jedoch als wenig nachvollziehbar eingestuft und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mitgeteilt, dass der Stoff als nicht krebserregend einzuschätzen ist. Das heißt, dass der Zulassung von Seiten der Bewertungsbehörden und der EFSA nichts im Wege stand. Über die Zulassung stimmen dann die Experten im Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel der Europäischen Union ab. Auf Basis dieser Abstimmung erfolgt dann die Genehmigung durch die Europäische Kommission. Es entscheidet die sogenannte „qualifizierte Mehrheit“. In der EU heißt das, dass 55 % der Länder (also 16 von 28) zustimmen oder ablehnen müssen. Außerdem müssen diese Länder mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
Bis Ende November 2017 konnte in dem Ausschuss keine Einigung gefunden werden. Auch bei der letzten Abstimmung Anfang November gab es noch keine Mehrheit für oder gegen die Verlängerung. Zu diesem Zeitpunkt enthielten sich fünf Länder. Darunter auch Deutschland, da das SPD-geführte Umweltministerium gegen eine Zulassung von Glyphosat war und das CDU/CSU-geführte Landwirtschaftsministerium dafür. Am 15. Dezember wäre die Lizenz für Glyphosat endgültig abgelaufen. Ende November kam dann die Überraschung: Einer Lizenzverlängerung von Glyphosat für fünf Jahre wurde mehrheitlich zugestimmt. 18 von 28 Ländern stimmten dafür, 9 dagegen und ein Land hat sich enthalten. Die Gegenstimmen kamen aus Belgien, Frankreich, Österreich, Zypern, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg und Malta; die Enthaltung aus Portugal. Deutschland hat also überraschenderweise mit „Ja“ gestimmt. Diese Entscheidung ging wohl allein vom Bundesagrarminister Schmidt (CSU) aus. Der Koalitionspartner SPD, die anderen Parteien sowie die Glyphosatgegner fühlen sich übergangen. Deutschland war mit dieser Entscheidung das Zünglein an der Waage, da nur dadurch die qualifizierte Mehrheit erreicht werden konnte. Wäre keine Mehrheit erreicht worden, hätte sich ein Berufungsausschuss mit der Verlängerung der Zulassung befassen müssen.
Die EU-Länder haben nun trotzdem die Möglichkeit, das Pflanzengift zu verbieten. Frankreich hat ein derartiges Verbot innerhalb der nächsten drei Jahre bereits angekündigt. Und auch der Bundesagrarminister Schmidt hat Restriktionen für die Nutzung von Glyphosat angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass das Thema durch die vergleichsweise kurze Zulassungsverlängerung (ursprünglich waren 15 Jahre gefordert) in den Köpfen der Bürger/innen und Politiker/innen bleibt und dass in fünf Jahren eine Entscheidung für die Gesundheit und die biologische Vielfalt getroffen wird. Die aktuelle Entscheidung ist lediglich für die Agrarlobbyisten von Vorteil und hat nichts mit einer nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft zu tun, die wir uns für unsere Äcker wünschen.
Quellen: Umweltinstitut München e. V., BUND, Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berliner Morgenpost, Umweltbundesamt (UBA), Spiegel, Europäische Kommission
Hintergründe, Fragen und Antworten zu der Zulassung von Glyphosat und den EU-Regularien finden Sie hier: https://ec.europa.eu/germany/news/hintergrund-fragen-und-antworten-zu-einer-m%C3%B6glichen-neuzulassung-von-glyphosat_de