Für überdurchschnittlich gehaltvolle Lebensmittel wurde vor etwa 100 Jahren der Begriff Superfood erfunden. Damals verlief der globale Handel nicht so glatt, die Verfügbarkeit vieler Lebensmittel war nicht so leicht und billig wie heute. Der Begriff blieb nahezu unbekannt. Heute sind hoch angepriesene Superfoods in aller Munde. Sie gelangen jedoch oft aus den fernsten Winkeln der Erde zu uns – die Globalisierung macht es möglich und die moderne Technik. Da wird gefriergetrocknet, eingefroren, gedörrt… der Markt boomt.
Aber was ist Superfood eigentlich und wie muss es beschaffen sein? Es gibt keine rechtliche bzw. fachliche Definition dieses Begriffes. Aber immer öfter begegnet er uns in den Medien und auf Verpackungen. Jeder Supermarkt, der Bioladen, die Apotheke, das Internet – alle haben „ihre Ecke“ für die Superfoods, das dadurch zu einem inflationär gebrauchten Wort geworden ist. Das umfangreichste Wörterbuch der englischen Sprache, das Oxford English Dictionary definiert Superfood als ein „nährstoffreiches Lebensmittel, das als besonders förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden erachtet wird“. Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel schreibt: Superfoods sind „Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel haben.“
Noch nie wurde so viel von gesundheitsfördernden Lebensmitteln gesprochen. Unsere Aufmerksamkeit wird auf echte Lebensmittel gelenkt, weg von den vielen verarbeiteten, von der „Industrie veredelten“ Nahrungsmitteln, die die Regale der Supermärkte füllen und uns in bunten Farben ins Auge stechen. Obst, Gemüse, Nüsse werden wieder wertvolle Lebensmittel. Überwiegend exotische Beeren, Gemüse und Nüsse gelten als echte Nährstoffbomben: Granatäpfel, Chiasamen, Kakao, Erdmandeln, Gojibeeren. Sie alle fördern die Gesundheit, verlangsamen das Altern, lassen uns vitaler aussehen, verleihen Kraft und Ausdauer usw. Allerdings, um sie hier verzehren zu können, werden sie haltbar gemacht, eben auch verarbeitet. Das heißt, nicht zu unterschätzen ist die Belastung mit Pestiziden und anderen chemischen Mitteln für die Produktion, den Transport und die Haltbarkeit. Und sie müssen vor dem Transport unreif geerntet werden.
Zudem: Die Werbung setzt Prioritäten, was gerade das supersuperste Food sein soll. Das wird dann das teuerste. Diese einseitige Hochgepriesenheit hat auch Nachteile: Andere, besonders regionale, ebenso wertvolle Erzeugnisse geraten in den Hintergrund und erscheinen dem Kunden eher minderwertiger. Völlig zu Unrecht: Besonders die vielen nicht so überdimensional hervorgehobenen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten sind gesund.
Was kann man tun? Was sollten wir essen?
Nicht einzelne Nährstoffe verhelfen uns zu besserer Gesundheit, es ist die Summe, die Gesamtheit aller Nährstoffe - und da finden wir Lebensmittel, die scheinbar gar nicht so viel aufzuweisen haben, die aber unser Immunsystem enorm stabilisieren. Wie beispielsweise der Apfel, ein urgesundes Obst, welches hier bei uns im Überfluss zu ernten ist. Ernähren wir uns vielseitiger als nur mit einer Handvoll sogenannter Superfoods. Greifen wir öfter zu Obst und Gemüse, vor allem zu heimischem, regionalem. Vergessen wir nicht die Wildkräuter, die Wildfrüchte, die Blätter von Bäumen. Es gibt im Herbst noch viel zu finden, zu entdecken. Hagebutten, Schlehen, Sanddorn sind ebenfalls reich an Nährstoffen. Bei einem Ausflug in die Natur können wir sie kostenlos sammeln. Wir tanken Sauerstoff und bewegen uns. Diese Früchte können wir über Nacht in Wasser einweichen, am nächsten Tag pürieren. Das Mus schmeckt, lässt sich einfrieren oder anders weiter verarbeiten. Die Biobauern, wir haben im Umland viele, bauen heimisches Obst und Gemüse ohne Belastung mit Chemikalien an. Es gibt Märkte, Hofläden, solidarische Landwirtschaft – viele Möglichkeiten, an diese tollen Superfoods zu gelangen. Und nach dem ersten Frost muss ich nicht auf alles verzichten. Wintergemüse wie Postelein, Grünkohl und Chicoree kann ich mit frisch gekeimten Sprossen ergänzen. Das geht ganz einfach auf jeder Fensterbank, in jeder Küche, in jedem warmen Raum. Dazu braucht es nur eine Schüssel, ein Sieb und die entsprechenden Samen. Im Bioladen gibt es alle Getreidearten, Buchweizen, Linsen und und und, alles abgepackt in 250g bis 2 kg Tüten zum Kochen, Backen, Braten. Sie müssen zu 90 Prozent keimfähig sein. Auch Sonnenblumenkerne, geschält und angekeimt, schmecken super lecker und sind gesund.
Meine Empfehlung: sich nicht nur von Werbungen beeinflussen lassen, sondern selbst die Dinge hinterfragen, besonderes Augenmerk auf regionale Produkte richten oder sich auch mal fachlich beraten lassen. Alles, was von weit her zu uns kommt, stellt eine große Bereicherung dar, es sollten aber die ernährungsphysiologischen Eigenschaften nicht überschätzt werden. Experimentieren Sie. Alles ist in Wirklichkeit gar nicht so kompliziert wie es zunächst erscheinen mag.
Guten Appetit!