Mein Arbeitstag beginnt an diesem Morgen in Joachimsthal, einer Kleinstadt in der brandenburgischen Region Barnim. Es ist Mitte Dezember, der Himmel ist bedeckt und eine dichte Nebelwolke liegt über dem 8,1 km² großen und circa 50 Meter tiefen Werbellinsee. Dieser etwa 11 Kilometer lange, in der Eiszeit entstandene Rinnensee erstreckt sich am Südostrand der Schorfheide. Gespannt auf das anstehende Interview, stehe ich auf dem Steg des Fischereibetriebes und lasse meinen Blick schweifen. Im Wasser treibende Fischerboote und der See in absoluter Ruhe und Friedlichkeit verleihen diesem Ort etwas Geheimnisvolles. Kurze Zeit später begrüßt mich Herr Volker Wolf, Inhaber der Fischerei, mit einem freundlichen Lächeln. Wir beginnen das Interview zum Beruf des Fischers bei einem Kaffee im hauseigenen Restaurant Zum Seewolf. Seine offene sympathische Art und die Begeisterung für seinen Beruf nehmen mich sofort mit auf eine Reise in die Welt des Fischers. Als privat geführter Betrieb ist die Fischerei Werbellinsee dem Bereich der Fluss- und Seenfischerei in der Fachrichtung Binnenfischerei zuzuordnen. Die Teichwirtschaft und Fischzucht in Anlagen sind zwei weitere Sparten, wie mir erklärt wird. Seit 18 Jahren bewirtschaftet Herr Wolf als einziger Fischereibetrieb nun schon den Werbellinsee. Gefischt wird jedoch schon „solange es hier Menschen gibt“, was gefundene Fischereiutensilien aus dem 12. Jahrhundert annehmen lassen. Mich interessiert besonders das Aufgabenfeld dieses Berufes. Herr Wolf erzählt mir, dass der Fischfang grundsätzlich das Hauptziel eines Fischers ist. Dabei dürfen jedoch weder der See noch dessen Fischbestand gefährdet werden. Die Sicherung des Bestandes und der Laichschongebiete und „wie wir es nennen die Hege und Pflege des Gebietes“ durch regelmäßige Angel- und Gewässerkontrollen sind weitere Aufgabenfelder. „Wir tun alles, damit der See gesund bleibt und eine richtige Entwicklung der Fische gewährleistet werden kann.“ Im Winter und Frühjahr werden Fangeräte repariert und neu gebaut, Fischerboote gepflegt und Vorbereitungen für die nächste Saison getroffen. „Wie ist der Ausbildungsverlauf Ihres Berufes?“, frage ich gespannt weiter. Herr Wolf erklärt mir, dass diese Berufsrichtung während einer dreijährigen Ausbildung zum Fischwirt erlernt wird. Innerhalb eines zweistufigen Systems mit einem regelmäßigen Wechsel von Theorie in der Berufsschule und Praxis im Betrieb werden die wichtigsten Fertigkeiten vermittelt. Etwa zwei Drittel der Ausbildungszeit verbringt der Lehrling im Betrieb, der gleichzeitig für seine zukünftige Spezialisierung entscheidend ist. Im Osten Deutschlands nennt er hier die Berufsschule in Königswartha, in Sachsen. Mit einer entsprechenden Berufserfahrung ist die Weiterbildung zum Fischwirtschaftsmeister möglich. Auch ein Hochschulstudium, beginnend mit einem Bachelorstudiengang der allgemeinen Landwirtschaftsausbildung und nachfolgend einer Masterausbildung mit der Spezialisierung Fischerei sind möglich. Aufstiegschancen sind relativ schwer, da viele Betriebe in privater Hand geführt werden. Um in einem Fischereibetrieb Fuß zu fassen und diesen möglicherweise übernehmen zu können, „muss man sehr gut sein.“ Während unseres Gespräches steht mir der gute Geruch von geräuchertem Fisch in der Nase, ich beobachte Menschen, die im Restaurant ein und aus gehen und aus dem Fenster heraus kann man den wunderbaren Blick auf den Werbellinsee genießen. Den Umweltbezug seines Berufes sieht Herr Wolf in seiner Tätigkeit in der Natur und dem Fischfang als eine ökologisch orientierte Tätigkeit. Doch es ist nicht nur ein grüner Beruf, weil in der grünen Natur gearbeitet wird, es wird gleichzeitig auch ein Beitrag zum Naturschutz geleistet.
„Was finden Sie toll an Ihrem Beruf?“ frage ich. „Das Herrliche ist, dass wir jeden Tag im Freien arbeiten. Fährt man bei Sonnenaufgang früh morgens hinaus aufs Wasser, ist man ganz alleine in der Natur. Es ist absolut ruhig und man kann Biber, Otter oder auch Wildschweine beobachten. Auch der Bezug zum Fisch ist wunderbar und wenn man die Natur so liebt, ist es ein traumhaft schöner Beruf.“ Natürlich interessieren mich auch die negativen Seiten. Als unangenehm beschreibt er mir, dass der Fischer zu jeder Wetterlage und in jeder Jahreszeit auf das Wasser muss. Der Beruf ist zudem auch nicht ganz ungefährlich, da innerhalb von zehn Minuten ein Gewitter oder starker Wind heraufziehen kann. Auf dem See kann also sehr leicht etwas passieren. Der Fischer ist ein sehr individueller und im Prinzip auch Einmannberuf, bei dem sich die Arbeit maximal auf zwei Personen beschränkt. Eigenverantwortliches Handeln, absolute Selbstständigkeit und Kreativität sind daher überaus gefragt. Man muss in der Lage sein, schnell Entscheidungen zu treffen und in bestimmten Gefahrensituationen sofort zu reagieren und sich richtig zu verhalten. Auch eine gute Kenntnis über das Gebiet und Geschick auf dem Wasser sind notwendig. „Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie am Computer?“ möchte ich weiterhin wissen. Herr Wolf nutzt hierfür die Abendstunden und in der Regel zusätzlich einen freien Tag in der Woche. Etwa 80 bis 90 Prozent der Arbeitszeit wird draußen verbracht. „Wie hat sich das Berufsfeld geändert und wie wird es sich in Zukunft entwickeln?“ Der Beruf des Fischers hat sich in den letzten Jahren nicht groß geändert. Verbesserungen in der Motorisierung und der Technik, moderne Kähne und verbesserte Netze und Netzmaterial sind dazu gekommen. „Ansonsten hat der Mensch schon früher mit Netzen gefischt und wir machen das heute immer noch.“ Das Berufsfeld wird sich in Zukunft jedoch eher rückläufig entwickeln. Funktionierende Strukturen werden zwar erhalten bleiben, aber der Beruf an sich wird sich auf ein Minimum einpegeln. Grundsätzlich sind Fischereibetriebe relativ kleine Einheiten, die nicht allein von der Fischerei leben können. Jeder Fischereibetrieb sucht sich eine weitere Sparte, so haben die Fischerei Werbellinsee zum Beispiel die täglich frische Räucherfischproduktion als eine Vermarktungsrichtung und die Gastronomie als zweite Absatzrichtung. Allein von der Seenfischerei zu leben ist sehr schwierig und deswegen in der Zukunft nicht so ganz einfach. „Der Beruf des Fischers wirft keine Reichtümer ab. Es gehört also eine ganze Menge Herzblut und Verbundenheit dazu.“ Meine letzte und abschließende Frage lautet: „Würden Sie diesen Beruf weiterempfehlen?“. Mit einem Strahlen im Gesicht antwortet mir Herr Wolf: „Wer mit Leib und Seele in diese Richtung denkt, dem würde ich meinen Beruf gern weiterempfehlen. Für mich ist es die schönste Arbeit, die es gibt. Ich hab’ mein ganzes Lebens als Fischer gearbeitet und es erfüllt mich absolut“. Mit diesen Worten beenden wir das Interview und machen uns gemeinsam auf den Weg zu den Fischfangbecken am Ufer des Sees. Nach einigen Schritten auf dem Steg, vorbei an Fischernetzen und kleinen Booten, öffnet Herr Wolf die Tür des kleinen Holzbootshauses. Große Glasfenster werfen Licht auf die nun vor uns liegenden Auffangbecken. Das Wasser ist so klar und sauber, dass ich bis auf den Grund des Bodens sehen kann. Herr Wolf zeigt mir die Fischfangbecken und Gerätschaften und erzählt mir von der kleinen Maräne, dem Hauptfisch des Werbellinsee und seines Fischereibetriebs. Zwischen 10 bis 15 Tonnen im Jahr werden allein durch sie gefangen. Überraschender Weise kann ich hautnah miterleben, wie der Fisch aus dem Becken gefangen, gewogen, verpackt und an den Kunden weiterverkauft wird. Es war sehr interessant, bei diesem Geschehen dabei zu sein und den Beruf noch besser zu verstehen und kennen zu lernen. Nach einem fast dreistündigen Aufenthalt und vielen interessanten Gesprächen verabschieden wir uns. Herr Wolf geht wieder seiner Berufung nach, steigt in das Fischerboot und verschwindet hinaus auf den weiten See hinein in die wundervolle Natur.