Dass Eichhörnchen im Herbst Nüsse sammeln, sie verstecken und nur einen geringen Anteil davon während ihrer Winterruhe wiederfinden und verspeisen, ist allseits bekannt. Doch auch andere Tiere nutzen diese Strategie, um über den Winter zu kommen, so auch der Eichelhäher. Der rötlich braune Vogel mit der charakteristischen blauen und schwarz-weißen Gefiederzeichnung an Flügeln und Schwanzgefieder, fühlt sich sowohl in Wäldern als auch in unseren Gärten wohl. Er ist gerne in lockeren Gruppen unterwegs und verhält sich meist eher unauffällig. Wenn jedoch Gefahr droht, bspw. durch einen Eindringling, wird er zur Alarmanlage des Waldes und warnt mit seinem Ruf auch andere Tiere. In einem Herbst kann ein Eichelhäher 3.000 bis 6.000 Eicheln vergraben. Die Zahl der vergessenen und nicht gefundenen Eicheln ist recht groß. Diese vergessenen Eicheln keimen im kommenden Frühjahr und bilden eine neue Generation aufwachsender Jungbäume. Die Chance, dass aus einer sogenannten „Hähersaat“ ein gesunder und starker Baum wächst, ist vergleichsweise groß. Der Vogel achtet akribisch darauf, nur reife und gesunde Eicheln zu vergraben. Außerdem versteckt er die Früchte in der für Eichen besten Pflanz-Periode, zwischen September und Anfang Januar. Die Eicheln haben also die bestmöglichen Voraussetzungen, um zu keimen und zu kräftigen Bäumen heranzuwachsen.
So leistet der Eichelhäher mit seinem unermüdlichen Eifer und seiner Vergesslichkeit einen großen Beitrag für die natürliche Waldverjüngung und gleichzeitig für den Klimaschutz.
Durch das Vergraben von Eicheln wird die genetische Vielfalt in unseren häufig durch Zuchtbäume genetisch verarmten Wäldern gefördert. Während Zuchtbäume meist geklont sind und so nur ein bestimmtes Erbgut weitergeben, sammelt ein Eichelhäher Früchte von verschiedenen Mutterbäumen und sorgt so für eine Durchmischung des Erbmaterials.
Die Verjüngung unserer Wälder durch Eiche, aber auch Buche und Haselnuss, hat neben der offensichtlichen Tatsache, dass diese heimischen Gehölze bei der Verbreitung unterstützt werden, noch viele weitere Vorteile. Die Strukturvielfalt in einem Wald wird durch Laubbaumaufwuchs deutlich erhöht. Durch verschiedene Altersgruppen der Gehölze entstehen Lebensräume, Verstecke und Nahrungsangebote in jedem „Stockwerk“ des Waldes. So werden viele ökologische Nischen geschaffen, in denen sich Lebewesen aller Art ansiedeln können. Bei einer forstlichen Anpflanzung in Monokultur haben die Bäume meist das gleiche Alter, Strukturvielfalt suchen Mensch und Tier hier vergebens. Schädlinge wie der Borkenkäfer haben hier leichtes Spiel. Wird ein Baum befallen, breiten sich die Organismen sehr schnell in großen Teilen des Bestandes aus. In einem strukturreichen Wald mit einer hohen Arten- und genetischen Vielfalt ist diese Gefahr deutlich geringer.
In Mischwäldern mit vielfältiger Altersstruktur schützen aufwachsende Bäume, bspw. Eichen, den Boden vor Erosion und verhindern, dass heruntergefallene Blätter und Nadeln vom Wind weggetragen werden. Die Streu wird von kleinen Organismen zu Humus zersetzt, der die Qualität und den Nährstoffgehalt des Bodens verbessert. Mit dem Schutz der Laubstreu und dem Beitrag eigener Blätter unterstützen die Eichen also die Humusbildung und so die Nährstoffversorgung des Waldes. Aufwachsende Gehölze schirmen den gesamten Wald gegen zu starken Wind ab. Die Bäume unterschiedlichen Alters, Art und Größe nehmen dem Wind schnell seine Kraft. So verbessern sie das Waldinnenklima und schaffen optimale Bedingungen für weitere Naturverjüngung, die sich durch diesen Schutz einfacher etablieren kann. Ein weiterer Vorteil des Windschutzes ist die verringerte Waldbrandgefahr. Durch einen Kiefernreinbestand kann der Wind ungehindert hindurchfegen und so das Feuer weiter anfachen, es in alle Richtungen treiben und gelöschte Brandherde wieder entzünden. In einem Laubmischbestand ist dieser Windeinfluss sehr viel geringer, da der Wind von den Bäumen gebremst wird.
Generell ist es unter Laubbäumen deutlich kühler und feuchter, da die Blätter den Boden vor der Sonneneinstrahlung und so vor schnellem Austrocknen schützen. So ist der Wald schwerer entflammbar. Dieser kleine Exkurs verdeutlicht die außerordentliche Wichtigkeit des krächzenden Rabenvogels in unseren Wäldern. Vielerorts wird der Eichelhäher bei der Futtersuche unterstützt, indem ihm Eicheln auf dem Silbertablett serviert bzw. auf einem Holztisch angeboten werden. Diese Methode wird gerne in Kiefern- und Fichtenreinbeständen angewendet, auch durch Waldbrand und Windwurf geschädigte Flächen werden so umgestaltet. Vielleicht denken jetzt einige unserer Leser*innen besser von dem bunten Gesellen mit der gewöhnungsbedürftigen Stimme, der ein äußerst effizienter Förster, Diversitätsbeauftragter und (präventiver) Feuerwehrmann zugleich ist.
https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/fb_eichelh2012.pdf
https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/tiere-im-wald/voegel/markwart-der-vorlaute-eichenpflanzer