Guten Tag Frau Kitzmann. Schön, dass Sie Zeit gefunden haben, sich mit mir über die Bauarbeiten in Malchow an der Dorfstraße zu unterhalten. Seit vielen Jahren ist die Verkehrsbelastung in Malchow sehr hoch. Besonders die Pendler sind von der Verbindung nach Berlin abhängig. Nun soll die Straße vier Jahre lang saniert werden. Welche Konsequenzen zieht denn dieses Bauvorhaben nach sich?
Die Dorfstraße in Malchow, die eine Bundesstraße ist, soll grundlegend erneuert werden. Dabei sollen auch verkehrspolitische Verbesserungen vorgenommen werden, wie zum Beispiel der Bau von Bushaltetaschen und Verkehrsinseln. Auch zukünftig soll die Höchstgeschwindigkeit des Verkehrs auf 30 km/h begrenzt sein. Problematisch ist, dass die Dorfstraße für die vier Jahre Bauzeit komplett gesperrt werden soll. Es gab die Überlegung, nur einseitig zu sperren und auf den Grünflächen eine Einbahnstraße zu bauen. Dann könnte wenigstens der Verkehr nach Berlin hinein rollen, den Verkehr aus Berlin heraus würde man über Blankenburg umleiten. Um die Bauzeit auf zwei Jahre zu verkürzen, entstand die Idee, eine Baustraße ins Hinterland von Malchow zu legen. Hier werden derzeit zwei Varianten geprüft: Variante eins führt westlich am Dorf entlang, am Ende der Grundstücke, wo es einen Wander- und Reitweg gibt. Bei der zweiten Variante liegt die Baustraße im Bereich des Fließgrabens, der durch das Malchower Luch verläuft. Mit der Baustraße will man den Verkehr um Malchow herum leiten, damit die Malchower Dorfstraße in kürzerer Zeit fertig gebaut werden kann.
Die eine Variante der Baustraße führt direkt durch das Malchower Luch, dessen Zerstörung Anwohner verhindern möchten. Was macht das Gebiet denn so besonders?
Das Malchower Luch ist in seiner Unzerschnittenheit und seiner landwirtschaftlichen Prägung besonders wertvoll für Feld- und Wiesenarten. Dazu zählt auch der Storch, der auf den Pferdekoppeln und auf den gemähten Getreideäckern seine Nahrung sucht. In Berlin gibt es nur drei Storchenpaare, zwei davon in Malchow. Die Landschaftszerschneidung durch die Baustraße hätte einen erheblichen Einfluss auf die Störche, da die Fluchtdistanz relativ groß ist und er nicht mehr in Ruhe seine Nahrung suchen könnte. Außerdem würde sich das Feuchtgebiet wesentlich verkleinern. Das alles könnte zur Konsequenz haben, dass die Storchennester in Malchow aufgegeben werden. Viele werden jetzt denken: Ich fahre in anderen Dörfern unter Storchennestern durch, die direkt an der Straße liegen. Richtig, aber das ist ein Gewöhnungsfaktor. Sie haben einen Horst an der Straße angenommen und wissen, dass da unten Autos fahren. Hier ist es jedoch anders herum: Erst ist die Fläche offen und auf einmal fahren viele Autos. Das ist für den Standort des Storchennestes nicht gewöhnlich und jede Änderung würde erstmal zum Verlassen des Nestes führen.
Das Malchower Luch ist ein Moorstandort. Gibt es dadurch Probleme für den Straßenbau?
Es wurde gerade festgestellt, dass der Naturraum „Malchower Luch“ noch über ein natürliches und intaktes Moor verfügt. Selbst das Naturschutzgebiet „Malchower Aue“ hat nur noch ein degradiertes Moor. Dadurch ist der Wert des Malchower Luchs deutlich gestiegen, weil die Prozesse der Moorbildung dort funktionieren. Beachtet werden muss auch, dass das Malchower Luch ein Feuchtgebiet ist. Wir haben jetzt gerade trockene Jahre, aber wenn man dort eine Straße baut, könnte es in feuchten Jahren Probleme geben. Man müsste das Gebiet erst trocken legen, aufbauen und aufschütten, damit die Straße der geplanten Belastung standhält. Das würde natürlich die Baukosten in die Höhe treiben.
Welche Möglichkeiten gibt es denn jetzt das Gebiet zu retten, damit der Storch trotzdem weiter in Malchow heimisch bleiben kann?
Mit dem Retten ist es immer schwierig. Es gibt im Augenblick eine große Anzahl von Menschen, die möchten, dass die Dorfstraße in Malchow ausgebaut wird. Das ist aus Sicht der Anwohner auch nachvollziehbar. Aber die Lösung, hinten das Luch zu zerschneiden, kann keine ernst gemeinte Lösung sein. Aus Sicht der Naturschützer wäre es der bessere Weg, eine Straße auf der östlichen Seite zu bauen. Wo die Bahngleise schon einen Schnitt durch die Landschaft machen und das Naturschutzgebiet Malchower Aue begrenzen, ist ja auch die tangentiale Nordverbindung geplant. Wenn jetzt neben der grundhaften Sanierung der B2 auch noch eine Ortsumfahrung für Malchow kommen soll, dann sollte sie östlich stattfinden und nicht das Malchower Luch zerschneiden.
Und wie könnte das Dilemma gelöst werden?
In meinen Augen ist eine Lösung extrem schwierig, weil Straßenbau zeitweise immer zu chaotischen Alternativen führt. Deswegen bin ich der Meinung, dass man die Baustraße direkt hinter dem Dorf bauen sollte. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass die Straße wieder zurückgebaut wird. Der bestehende Weg ist ein etablierter Wander- und Reitweg, der mit EU-Mitteln gebaut wurde. Es besteht die Auflage, die Nutzung für viele Jahre aufrecht zu erhalten. Wenn am Fließgraben gebaut werden würde, dann wäre das ja schon der Einstieg in die Ortsumfahrung. Es wird keine Lösung, sondern immer nur einen Kompromiss geben, wen man wo am wenigsten stört, aber es gibt immer Betroffene und - ich nehme an - auch Verluste.
Wieso würde denn aus der Baustraße am Fließgraben die Ortsumfahrung entstehen?
Parallel zu der grundhaften Instandsetzung der B2 wird derzeit im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung 2030 die Ortsumfahrung für Malchow öffentlich bekannt gemacht. Malchow soll langfristig von dem hohen Verkehrsaufkommen entlastet werden und der Bund plant eine Ortsumfahrung. Der Verlauf der Baustraße für die Dorfstraßenerneuerung am Fließgraben entlang, ist auch eine Trasse, die für die Ortsumfahrung von Malchow in Frage kommt. Wenn die Baustraße am Fließgraben entlang gelegt wird, könnte die Straße gleich für den Bau der Ortsumgehung genutzt werden. Allerdings sind hierbei bestimmte Verfahren noch nicht durchgeführt worden.
Was kann man denn als Bürger tun, wenn einem das Gebiet am Herzen liegt?
Es gibt im Malchower Luch eine sehr engagierte Bürgerinitiative, die auch eine Internetseite hat (www.pro-malchowerluch.jimdo.com). Die Bürgerinitiative hat Petitionen gemacht und setzt sich an jeder öffentlichen Stelle für das Luch ein, sowohl auf der Bezirksebene, im Abgeordnetenhaus, als auch auf Bundesebene. Sie sind sehr engagiert und wollen auf das Thema aufmerksam machen. Eine Ortsumfahrung oder auch eine Baustraße würde durch ein Kleinsiedlungsgebiet führen, in dem das Verkehrsaufkommen extrem ansteigen würde. Bürger können nur immer wieder deutlich machen, dass die Straße nicht gewollt ist.
Und wann ist mit einem Ergebnis über den Ausgang der Verfahren zu rechnen?
Im Augenblick ist es so, dass die Senatsverwaltung das Verfahren in die Hand genommen hat. Es sind zwei Bezirke betroffen, was ein Problem für den Bau ist. Die Straße führt durch Lichtenberg und durch Pankow, sodass sich zwei Bezirke dazu verständigen müssen. Das wurde auch gemacht, aber das war nicht schnell genug, sodass jetzt der Senat das Verfahren an sich gezogen hat. Ich bin nicht sicher, ob es jetzt nochmal eine Bürgerbeteiligung geben wird. Es hat Anfang des Jahres eine Bürgerinformation in Malchow stattgefunden, aber mehr bisher nicht. Deswegen kann ich dazu nichts Konkretes sagen, wann etwas entschieden wird. Varianten werden geprüft, die Auswirkungen auf die Vogelwelt wurden untersucht. Da muss man jetzt einfach dran bleiben und schauen, wie sich das Verfahren entwickelt.
Wir werden dran bleiben und Sie über die neuesten Entwicklungen informieren. Vielen Dank für das Gespräch Frau Kitzmann.