An einem streikfreien Morgen im Mai setzte ich mich in den Zug nach Wensickendorf, ein Ort, dessen Wurzeln im 14. Jahrhundert liegen und der heute ein Teil Oranienburgs ist. Schon nach wenigen Minuten Fahrt erreiche ich Wensickendorf, auf einem kleinen Parkplatz direkt am Bahnhof stehen die Autos der Pendler. Nach Regenschauern in der Nacht ist die Luft angenehm frisch und klar, für einen Allergiker wie mich eine erholsame Auszeit in der Pollensaison.
An der von Einfamilienhäusern gesäumten Hauptstraße halte ich mich links, gleich darauf begrüßt mich der Dorfhund lautstark. Das zarte Grün der straßenbegleitenden Linden führt mich zum Dorfanger, auf dem die 1438 erbaute Feldsteinkirche zu sehen ist. Ich biege links in die Zühlsdorfer Straße ein - ein kleiner Pflasterweg - und folge der Ausschilderung zur Waldschule Briesetal. Neu gebaute, sanierte und leicht verfallene Häuser wechseln sich hier ab, grüßende Hundebesitzer ziehen an mir vorüber. Dicke Wolken türmen sich am Himmel auf, während die Straße zu einem Sandweg wird. Der morgendliche Wetterbericht hatte eigentlich nichts von Regen erzählt, nun gut ich werde sehen.
Auf dem weiteren Weg passiere ich den Sportplatz des Ortes (zwei Fußballtore auf einer Wiese) sowie einige Polter am Wegesrand, die den Geruch nach frisch geschlagenem Holz verströmen. Mit dem Blick auf die hier vorherrschenden Kiefern-Reinbestände, nehme ich die entnommene Holzernte als Zeichen für den beginnenden Waldumbau, leuchtendes Grün zwischen Kiefernstämmen und einzelne kleinere eingezäunte Bereiche bestärken meine Vermutung. An Wald- und Gartenhäusern vorbei komme ich zur Zühlsdorfer Mühle, einer Wassermühle, die bereits 1375 erbaut wurde. Nach mehreren Bränden und Plünderungen begann zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Wiederaufbau, seit 1861 befindet sich die Mühle im Besitz der Familie Evers. Zwischenzeitlich als Korn- und Sägemühle genutzt, wird die Kornmühle Anfang des 20. Jahrhunderts eingestellt, 1995 wird auch die Sägemühle nur noch gelegentlich genutzt, dafür aber ein Holzhandel mit einer Zimmerei eröffnet.
Die Zühlsdorfer Mühle und den Campingplatz lasse ich hinter mir, ein ungeplanter Abstecher nach Zühlsdorf erweist sich aufgrund der geöffneten Bäckerei und vieler grüßender Menschen zwar als nett, aber auch als völlig umsonst. Ein verspäteter Blick auf die Karte verrät mir, dass ich um die Rückkehr zum Campingplatz nicht herumkomme. Nach einigen Minuten liegen Mühle und Campingplatz wieder vor mir, ich halte mich links und hoffe, nun die richtige Richtung eingeschlagen zu haben (ist ein Abstecher nach Zühlsdorf nicht erwünscht, bitte gleich rechts halten). Ein eichenbestandener Waldweg führt mich zur Landstraße, die ich überquere und dem Weg weiter geradeaus folge. Die Pfade werden kleiner, an einer unscheinbaren Kreuzung stoße ich endlich auf den richtigen Weg und gelange so ins Briesetal.
Kurz begleitet mich das Knistern einer Hochspannungsleitung, die mir eine Gänsehaut über die Arme jagt. Ein schmaler Weg führt mich durch das überwiegend tief eingeschnittene Tal, das im Landschaftsschutzgebiet „Westbarnim“ liegt und zwischen Zühlsdorf und Birkenwerder zusätzlich einem europäischen Schutzstatus unterliegt, der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiet). Rechts von mir fließt die Briese, die im Wandlitzsee entspringt und nach etwa 16 Kilometern bei Birkenwerder in die Havel mündet. Umgebrochene Bäume erinnern hier an das Orkantief „Niklas“, das am 31. März dieses Jahres mit einer Windstärke von über 100 Kilometern pro Stunde über Deutschland hinweg zog.
Der Weg hat sich gelohnt, an einer Rasthütte, direkt an der Briese gelegen, entdecke ich erste Spuren des Bibers, der die vielfältig strukturierte Bachlandschaft für sich als Lebensraum entdeckt hat. Mit Hilfe der 1880 erbauten Schlagbrücke überquere ich die vor mir liegende Straße, die die Ortschaften Summt und Oranienburg verbindet. Der Blick von der Brücke ist traumhaft, auf beiden Seiten der Briese führt nun ein Weg entlang, ich entscheide mich für den schmaleren, verwunschenen Weg weiter geradeaus in den Wald hinein. Vogelgezwitscher begleitet mich, auch ein Specht ist zu hören, die noch unbelaubten Schwarz-Erlen und Eichen lassen die Sonnenstrahlen bis zu meiner Nase durch. An der Hubertusbrücke wechsle ich die Uferseite, ein klitzekleiner Holzbohlenweg lädt zum Pausieren ein. Die vorangegangenen nächtlichen Regenfälle sind auf den Wegen erkennbar, eine junge Ringelnatter nutzt den Wegbereich für ein Sonnenbad, ihre Flucht reisst mich aus meinen Gedanken. In das Rauschen der Baumkronen mischen sich nun schon wieder entfernte Verkehrsgeräusche, ich nähere mich langsam aber sicher wieder der Zivilisation. In den letzten Stunden war ich allein unterwegs, nun begegnen mir nach und nach wieder Fahrradfahrer, eine wandernde Rentnergruppe folgt. Ich betrete eine kleine Siedlung, gehe am „Briesenkrug“ und der Reha-Klinik vorbei, rechtsseitig befindet sich der Boddensee. An einer sternförmigen Kreuzung halte ich mich links und gelange so in einen wunderschönen Waldbestand, Kiefern, Buchen und Eichen wechseln sich hier ab. An der Fichtenallee angekommen, gehe ich rechts an einer wenig befahrenen Straße entlang, überquere die Autobahn und komme so nach Birkenwerder. Ich überquere die Friedensallee, rechterhand ist schon das S-Bahngleis zu sehen. Die Fichteallee wird nun zu „Unter den Ulmen“, auf der Bergfelder Straße angekommen halte ich mich rechts und erreiche den S-Bahnhof Birkenwerder. Von hier geht es nach einer märchenhaften und doch stadtnahen Wanderung wieder heimwärts.