Der Bezirk Lichtenberg besitzt weit über 100 Gewässer unterschiedlichen Typs, wobei Kleingewässer den größten Anteil ausmachen. Viele dieser Gewässer sind wichtige Laichgewässer für Amphibien, wie Erd- und Wechselkröte, Rotbauchunke, Moorfrosch oder Kammmolch. Lichtenberg unterhält zudem ein aufwendiges und erfolgreiches Programm, welches die Kontrolle und Überwachung, den Unterhalt und die Sanierung sowie die Neugestaltung von Gewässern zur Aufgabe hat. Im Rahmen meiner Tätigkeit für das Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirkes beschäftigte ich mich v. a. mit der Begutachtung von Gewässern des Landschaftsparks Herzberge sowie mit ausgewählten Kleingewässern im Raum Wartenberg und Falkenberg.
Widmet man sich dem Schutz von Amphibien kommt man nicht umhin, auch einmal einen Gesamtblick auf ein Gewässer bzw. den Lebensraum Wasser zu werfen. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen: So kann man ein Gewässer im Hinblick auf Nährstoffe untersuchen, oder wichtige Größen wie den pH-Wert oder den Sauerstoffgehalt messen. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, die Tier- und Pflanzenwelt eines Gewässers zu bestimmen. Viele Organismen stellen nämlich spezifische Ansprüche an ihre Umwelt, bzw. macht erst eine ganz bestimmte Umwelt das Vorkommen spezieller Organismen möglich. Hier spricht man von Indikatororganismen, deren Vorkommen ganz spezifische Aussagen über die Wasserqualität eines Gewässers zulassen. So leben in einem Gewässer wie dem Gehrensee oder dem Fennpfuhl gänzlich andere Organismen als im Berl, der ein wichtiges Laichgewässer für den Kammmolch darstellt.
Neben den sichtbaren Organismen, wie Egeln, Schnecken, Fischen, Amphibien oder Wasserpflanzen leben in einem Gewässer auch Kleinstorganismen, deren ungeheure Mannigfaltigkeit und faszinierende Schönheit sich einem erst nach einem Blick durchs Mikroskop offenbart. Schade eigentlich, denn diese Organismen sollten von uns die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt bekommen, wie Kammmolch, Rotbauchunke & Co., bilden sie doch sehr häufig die Nahrungsgrundlage für die größeren, populäreren Organismen. So ernähren sich die Larven der Molche fast ausschließlich von Wasserflöhen, die Kaulquappen der Froschlurche von Algenbelägen, die sie mit ihren Hornzähnchen abweiden. Die Wasserflöhe ernähren sich wiederum von kleinen, planktischen Algen, die sie aus dem Wasser filtrieren. Es ist leicht ersichtlich, dass ein Verschwinden oder gar Aussterben derartiger Kleinstorganismen für Molche fatale Folgen hätte.
Aber was sind eigentlich Wasserflöhe oder Algen genau? Nun, Wasserflöhe sind winzige, nur wenige Millimeter große Krebse. Sie sind fast durchsichtig, besitzen u. a. ein Paar Antennen, die auch die Fortbewegung ermöglichen, ein Auge, einen Darm, ein Herz und winzige Beinchen, die dazu dienen, das Wasser nach Nahrung zu filtrieren. Der ganze Körper ist von einer Schale umschlossen, mit der die Tiere nur wachsen können, wenn sie sich regelmäßig häuten und die alte Schale durch eine neue ersetzen. Wasserflöhe können zu Millionen ein Gewässer besiedeln. Sie vermehren sich meist ungeschlechtlich, weshalb 98 Prozent der Kleinstorganismen Weibchen sind. Verändern sich die Lebensbedingungen zum Negativen, können auch Männchen entstehen, die dann die Eier der Weibchen befruchten. Eine schützende Hülle umschließt die so entstandenen Eier, die mehrere Jahre Trockenheit sowie extreme Kälte überstehen können, um dann bei besseren Umweltbedingungen wieder schlüpfen zu können.
Natürlich gibt es noch eine Vielzahl weiterer tierischer Kleinstlebewesen. Oft bestehen diese nur aus einer Zelle. Manche schweben im Wasser und bilden Teile des Planktons, wie z. B. die Sonnentierchen. Andere können sich mit Hilfe feinster Wimpern fortbewegen, wie die einzelligen Wimpertiere. Die Rädertiere dagegen sind mehrzellige, nur mehrere 100 Mikrometer große, durchsichtige Tiere, die ebenfalls mit Hilfe eines Wimpernfeldes Nahrung herbeistrudeln und sich so auch fortbewegen können. Auch Larven von Insekten – v. a. von Mücken – leben im Wasser. Auch die winzigen Milben - also Verwandte von Spinnen - haben Vertreter hervorgebracht, die an eine aquatische Lebensweise angepasst sind.
Algen können Beläge auf Steinen oder anderen Wasserpflanzen bilden; die meisten leben jedoch als Plankton im freien Wasser. Sie betreiben – wie alle Pflanzen – Photosynthese, und je nach Art und Farbe des Farbstoffes unterscheidet man zwischen Blau-, Gold-, Kiesel- und Grünalgen. Algen sind oft einzellig und vermehren sich meist durch Zellteilung, vereinzelt gibt es jedoch auch sexuelle Vermehrung bei der zwei Zellen miteinander verschmelzen.
Oft schließen sich die einzelligen Algen zu vielzelligen Kolonien zusammen.
Im Fennpfuhl und im Obersee können in den warmen Monaten Unmengen von Blaualgen vorkommen, die eine Wasserblüte hervorrufen. Das hier eingeleitete phosphatreiche Wasser aus der Straßenkanalisation unterstützt diese Entwicklung. Der typische Geruch nach Propan am Fennpfuhl stammt übrigens von diesen Algen.
Insgesamt zeigte sich, dass die Lichtenberger Gewässer teilweise erstaunlich artenreich sind. Dabei muss man zusätzlich wissen, dass sich die Artenspektren in Abhängigkeit mit der Jahreszeit verschieben: Im Frühjahr dominieren die Goldalgen, während Grün- und Blaualgen vor allem im Sommer vorkommen. Wimpertiere besiedeln Gewässer gern im Herbst, während Rädertiere während des ganzen Jahres zu finden sind. Insgesamt konnte ich während des Untersuchungszeitraums in 24 Lichtenberger Gewässern rund 230 verschiedene Arten von Kleinstlebewesen nachweisen. Die Artenzahl dürfte jedoch deutlich höher sein, wenn man bedenkt, dass viele Arten oft irgendwo festgeheftet sind oder am Boden leben und so nur schwer zugänglich sind. Das Ergebnis verdeutlicht, wie reichhaltig die Lebewelt in Berliner Gewässern sein muss, vor allem. wenn man bedenkt, dass während meiner Tätigkeit nur ein kleiner Teil aller in Berlin vorhandenen Gewässer untersucht wurde.