Umweltbüro Lichtenberg

Illegale Greifvogelverfolgung in Deutschland– ein unterschätztes Problem

Nach Angaben der bundesweiten Erfassungs- und Dokumentationsstelle für Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (EDGAR) wurden in den letzten 15 Jahren 1.653 Taten mit 2.238 Opfern dokumentiert. Aufgrund des hohen Dunkelfeldes ist von einem Vielfachen an tatsächlich begangenen Taten auszugehen.

Um Greifvögel und Eulen besser vor Nachstellungen und kommerziellen Interessen zu schützen, hat der Gesetzgeber umfangreiche Verbote für alle in Deutschland wildlebenden Arten erlassen. Die Verfolgung von Greifvögeln ist in Deutschland eine Straftat. Ermittlungsverfahren werden meist nur dann eingeleitet, wenn die Tat von Behörden selbst festgestellt oder von Verbänden angezeigt wird. Im Ergebnis führt das dazu, dass ohne regelmäßige Kontrollen viele Taten nicht behördlich registriert werden.

 

Greifvögel und das Gesetz

Alle in Deutschland heimischen Greifvogel- und Eulenarten unterliegen dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG).

Für wildlebende Exemplare dieser Arten hat der Gesetzgeber weitreichende Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote erlassen. Sie dürfen weder getötet, verletzt, verkauft, gefangen oder auf andere Art und Weise verfolgt werden. Bei streng geschützten Arten stellt jede Art der Verfolgung gemäß § 71 Abs. 1 BNatSchG eine Straftat dar, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann. Bereits das einmalige Nachstellen, z. B. der versuchte Fang oder Abschuss eines Habichts, ist strafbewehrt und umfasst auch sämtliche vorbereitende Handlungen, wie etwa das Aufstellen von Fallen oder das Auslegen von Giftködern.

 

Warum brauchen Greifvögel unseren Schutz?

Greifvögel und Eulen sind integrale Bestandteile von Ökosystemen. Innerhalb von Lebensgemeinschaften erfüllen sie wichtige Funktionen, wie zum Beispiel die der Gesundheitspolizei. Als aktive Beutegreifer und Aasfresser ernähren sie sich hauptsächlich von geschwächten, kranken Beutetieren oder fressen Aas und verhindern so die Ausbreitung von Krankheiten. In unseren Städten tragen Habichte und Wanderfalken mit dazu bei, das Wachstum der Stadttauben-Population zu bremsen. Obst- und Gemüsebetriebe schätzen Greifvögel als Helfer bei der Mäusebekämpfung und siedeln zum Beispiel gezielt Turmfalken oder Schleiereulen auf ihren Feldern und Plantagen an.

Als Wappentiere und Symbolträger spielen Greifvögel und Eulen bis heute in unserer Kultur eine wichtige Rolle. Gleichzeitig werden sie als angebliche Konkurrenten oder Schädlinge seit Jahrhunderten intensiv von Menschen verfolgt. Als Gefahr für Nutztiere und Konkurrenz um das sogenannte Niederwild wurden sie bis in das letzte Jahrhundert zu Tausenden von Jäger:innen in Totschlagfallen gefangen, geschossen oder mit Ködern vergiftet. Vielerorts wurden sogar offiziell Kopfprämien für tote Greifvögel ausgesetzt. Noch bis in die 1960er Jahre war der Abschuss von Bussarden, Habichten, Weihen, Falken und Eulen weit verbreitet. So weist die offizielle Jagdstatistik allein zwischen 1935 und 1939 fast 550.000 geschossene Greifvögel aus. In der alten Bundesrepublik werden für den Zeitraum von 1950 bis 1970 zwischen einer halben und einer Million getötete Greifvögel angegeben.

Die intensive Bejagung führte zusammen mit der Wirkung von Umweltgiften und dem Verlust geeigneter Bruthabitate zum großräumigen Zusammenbruch vieler Greifvogelbestände. Einige Arten, wie z. B. Wanderfalke und Uhu, waren Mitte der 1950er Jahre in vielen Ländern Europas ausgerottet. Andere, wie beispielsweise Habicht und Mäusebussard, erlitten dramatische Bestandseinbrüche. Auf Druck der Vogelschutzverbände wurde die Jagd auf Greifvögel in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuerst eingeschränkt und angesichts der rapide zurückgehenden Bestände 1977 eine bundesweite Schonzeit eingeführt. Mit der Verabschiedung der Europäischen Vogelschutzrichtlinie vom 7. April 1979 wurden Fang und Abschuss von in der EU brütenden Greifvogel- und Eulenarten schließlich europaweit verboten.

Vergiftungen

Das Ausbringen von mit Gift präparierten Ködern ist eine besonders qualvolle, leider aber auch die am häufigsten nachgewiesene Verfolgungsmethode. In Deutschland nehmen Greifvogelvergiftungen über ein Drittel aller Verfolgungsaktionen ein (582 von 1.653 nachgewiesenen Fällen). Als Lockmittel und Giftträger werden von den Täter:innen Schlachtabfälle, Eier, tote hasen, Kaninchen, Fasane, Hühner und besonders häufig Tauben benutzt. Der Großteil der in den letzten Jahren sichergestellten Köder wurde auf Äckern und Brachflächen sowie am Rand abgelegener Feldgehölze entdeckt. Neben hunderten von Greifvögeln sind dadurch auch zahlreiche Hunde und Katzen sowie in einigen Fällen Kolkraben, Störche, Reiher, Marder und Füchse vergiftet worden.

Nachstellen und Fang mit Fallen

Um Greifvögel zu fangen und zu töten, wird von den Täter:innen eine breite Palette von Fallen eingesetzt. Fast immer spielen dabei lebende Lockvögel (z. B. Tauben) oder Fleischreste als Köder eine Rolle. In knapp einem Drittel (468 von 1.653) aller nachgewiesenen Verfolgungsfälle sind Fallen als Tatmittel nachgewiesen.

Abschuss

Leider werden trotz ganzjähriger Schonzeit immer wieder an- oder abgeschossene Greifvögel gefunden. Besonders häufig wird der Beschuss mit Schrotmunition festgestellt. Bekannt geworden sind aber auch zahlreiche Fälle, in denen Greifvögel mit Luftdruckwaffen oder Büchsenmunition getötet wurden. Bundesweit wurden in den letzten 15 Jahren 321 Fälle von an- oder abgeschossenen Greifvögeln nachgewiesen.

Sonstige Verfolgungsmethoden

Eine ebenfalls immer wieder festgestellte Methode ist das Fällen von Greifvogelnistbäumen während der Brutzeit. Darüber hinaus kommt es vor, dass Elternvögel vorsätzlich gestört werden, um einen Bruterfolg zu verhindern. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass die Brutbäume regelmäßig abgeklopft werden, um den brütenden Vogel vom Horst zu vertreiben. Ziel dieser Störungen ist es, das Gelege erkalten zu lassen.

Auch werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen junge Greifvögel gezielt aus den Nestern entnommen werden, um sie für die Jagd abzurichten oder als Haustier zu halten bzw. zu verkaufen. Oft zeugen Kletterspuren am Stamm der Bäume vom illegalen Ausnehmen der Nester.

Illegale Haltung

Neben aus Nestern entnommenen Jungvögeln werden auch ausgewachsene Greifvögel und Eulen mit Lebendfallen gefangen, um sie anschließend illegal zu halten oder zu verkaufen. Diese Vögel erkennt man an fehlenden Artenschutzringen, die die Herkunft aus Gefangenschaft belegen.

 

Häufig verfolgte Greifvogelarten in Deutschland

In Deutschland brüten insgesamt 26 verschiedene Greifvogel- und Eulenarten. Je nach ihrer Ernährungsweise geraten sie mehr oder weniger häufig in Konflikt mit Menschen. Wir stellen Ihnen die acht am intensivsten verfolgten Spezies vor.

 

Rotmilan (Milvus milvus)

Rotmilane werden wegen ihres rostroten, tief gegabelten Schwanzes auch Gabelweihen genannt. In Deutschland brüten fast 50 Prozent des Weltbestandes dieser Art. Deutschland trägt daher für den Schutz des Rotmilans eine besondere Verantwortung. Der Rotmilan ist bei uns ein Zugvogel, der vor allem in Südfrankreich und Spanien überwintert. Als Aasfresser sind Rotmilane besonders anfällig für Vergiftungen. Zwischen 2005 und 2021 wurden in Deutschland über 320 Rotmilane Opfer von Verfolgungen. Mehr als 90 Prozent wurden vergiftet.

 

 

 

 

 

Mäusebussard (Buteo buteo)

Ein mittelgroßer, kompakter Greifvogel, dessen variable Gefiederfärbung von dunkelbraun bis nahezu weiß reicht. Mäusebussarde sind die häufigsten Greifvögel Deutschlands und das ganze Jahr über zu beobachten. Sie zeichnen sich durch ihren charakteristischen Bussardruf („Hiäh“) aus. Obwohl sich Mäusebussarde hauptsächlich von Mäusen, Regenwürmern und Aas ernähren, gehören sie zu den häufigsten Opfern illegaler Verfolgungen. Seit 2005 wurden in Deutschland fast 1.100 Mäusebussarde Opfer von illegalen Verfolgungsaktionen.

 

 

 

Sperber (Accipiter nisus)

Der Sperber sieht dem Habicht sehr ähnlich, ist jedoch deutlich kleiner. Wie beim Habicht besteht zwischen den Geschlechtern ein deutlicher Größenunterschied zugunsten der Weibchen. Als spezialisierte Kleinvogeljäger leben Sperber zur Brutzeit hauptsächlich in reich strukturierten und kleinvogelreichen Lebensräumen, wo sie ihr Nest am liebsten in jüngeren Baumbeständen errichten. In den letzten 15 Jahren wurden in Deutschland 60 Sperber als Opfer von illegaler Verfolgung nachgewiesen.

 

 

 

 

 

 

Seeadler (Haliaeetus albicilla)

Mit mehr als zwei Metern Spannweite und bis zu sechs Kilo Gewicht sind kreisende Seeadler eine imposante Erscheinung. Lebensraumverlust und menschliche Verfolgung haben dazu geführt, dass der Seeadler große Teile seines ursprünglichen Brutareals in Europa verloren hat. In Deutschland haben sich die Bestände dieser Art dank zahlreicher Schutzmaßnahmen wieder erholt. Mittlerweile brüten wieder mehrere Hundert Paare, hauptsächlich in Norddeutschland in der Nähe von Seen und Küste. Zwischen 2005 und 2021 wurden in Deutschland über 60 Seeadler Opfer von illegaler Verfolgung.

 

 

 

Habicht (Accipiter gentilis)

Kennzeichen des Habichts sind sein langer, gebänderter Schwanz und seine kurzen, abgerundeten Flügel. Mitteleuropäische Habichte sind Standvögel, die sich hauptsächlich von Vögeln ernähren und deshalb bei Geflügelhaltern und Niederwildjägern besonders unbeliebt sind. Durch jahrzehntelange Verfolgung hat der Habichtbestand in einigen Teilen Deutschlands stark abgenommen. Seit 2005 wurden in Deutschland über 200 Habichte vergiftet, erschlagen oder illegal gefangen.

 

 

 

 

 

Wanderfalke (Falco peregrinus)

Ein großer Falke, der das ganze Jahr über bei uns zu beobachten ist und an Felswänden und Industriekomplexen brütet. Wichtige Erkennungsmerkmale sind die dunkle Oberseite des Kopfes und der schwarze Backenstreif. Durch Umweltgifte und illegale Nachstellungen stand die Art in Deutschland in den 1960er Jahren kurz vor dem Aussterben. Dank intensiver Schutzbemühungen und dem Verbot des Pestizids DDT haben sich die Bestände mittlerweile wieder erholt. In den letzten 15 Jahren wurden in Deutschland über 70 Wanderfalken Opfer von illegaler Greifvogelverfolgung.

 

 

 

 

 

 

 

Turmfalke (Falco tinnunculus)

Typische Kennzeichen des Turmfalken sind seine langen, spitzen Flügel und der charakteristische Rüttelflug. Mäuse bilden den Hauptbestandteil der Nahrung, darüber hinaus werden auch Insekten und Kleinvögel nicht verschmäht. Den Nachwuchs ziehen Turmfalken entweder in alten Krähen- und Elsternestern, in speziellen Nistkästen oder an Gebäuden auf. Durch seine Gewohnheit, auf Kirchtürmen zu brüten, gehört er zu unseren bekanntesten Greifvögeln. Zwischen 2005 und 2021 wurden in Deutschland über 100 Turmfalken als Opfer illegaler Verfolgung registriert.

 

 

 

 

 

 

Uhu (Bubo bubo)

Unsere größte heimische Eule wurde in der Vergangenheit intensiv bejagt und war in vielen Landesteilen bereits ausgestorben. Nach der Unterschutzstellung und durch Auswilderungsprojekte hat sich der Bestand mittlerweile erholt. Heute findet man den Uhu sowohl in Steinbrüchen als auch in alten Industriestandorten oder in Wäldern. Seit 2005 wurden in Deutschland über 50 Uhus als Opfer illegaler Verfolgungen nachwiesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

EDGAR

Um den Überblick über die Verbreitung und das Ausmaß illegaler Vogelverfolgungen in Deutschland zu behalten, betreibt das Komitee gegen den Vogelmord die bundesweite Erfassungs- und Dokumentationsstelle für Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (EDGAR). EDGAR wurde im Jahr 2015 mit Mitteln des Bundesumweltministeriums ins Leben gerufen und wird mittlerweile hauptsächlich über Spenden finanziert. Zentrale Aufgaben des Projektes sind das bundesweite Monitoring aller bekanntwerdenden Fälle, das Zusammentragen von Beweisen, das Erstatten von Strafanzeigen die Beratung von Zeugen und Behörden sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Auf der EDGAR-Internetseite (www.greifvogelverfolgung.de) finden Sie Informationen zu aktuellen Fällen sowie weitere Hinweise zum Erkennen und Melden von illegaler Greifvogelverfolgung. Ein wichtiger Baustein der Seite ist ein Meldeformular, mit dem Sie uns Ihnen bekannt gewordene Fälle, auch anonym, melden können. Expert:innen stehen bereit, um Sie zu beraten, bei der Erstattung von Strafanzeigen zu helfen und falls nötig vor Ort zu recherchieren.

 

Quellen: Illegale Greifvogelverfolgung, LEITFADEN FÜR ZEUGEN, NATURFREUNDE UND STRAFVERFOLGUNGSBEHÖRDEN, März 2023, Komitee gegen den Vogelmord e. V., Committee Against Bird Slaughter (CABS),

Komitee gegen den Vogelmord e. V.

Projekt EDGAR

An der Ziegelei 8, 53127 Bonn

Tel. +49 228 66 55 21

Fax +49 228 66 52 80

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www.komitee.de

EDGAR: www.greifvogelverfolgung.de

 

 

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