Warum Wildvögel füttern – Hintergrund des Nahrungsverlustes ist die Ausräumung von Landschaften und Strukturarmut:
Künstliche Einschnitte in Landschaft, Natur, Umwelt und Landwirtschaft sind in den letzten Jahrzehnten allumfassend vorgenommen worden. Viele Faktoren, vor allem menschliche Aktivitäten, veränderten die Lebensgrundlage der Wildtiere. Es fehlt an naturbelassenen Wiesen, Hecken, Wegsäumen, die natürlicherweise reich an Beeren, Sämereien und Insekten sind. Das spiegelt sich in einem enormen Rückgang im deutschlandweitem Brutbestand der Vogelwelt. Zum Beispiel zeigen akribische Zählungen der Vogelwarte Radolfzell von 1946 bis 2003 bei 35 Arten einen Vogelschwund von rund einem Prozent pro Jahr. Ein besonders wichtiger Anteil an proteinhaltiger Nahrung, wie Käfer, Schmetterlinge, Heuschrecken, Zweiflügler, Wanzen, Libellen aber auch das reiche Repertoire an Wildkräutersämereien fällt durch massiven Schwund kontinuierlich weg. Lichtverschmutzung, Biozide wie Neonikotinoide und der Klimawandel bringen Verschiebungen beim Auftreten von Insektenpopulationen oder töten all ihre Entwicklungsphasen ab. Am Ende gibt es zu wenig permanent verfügbare Nahrung, um den Vogelnachwuchs durchzubringen oder gar überhaupt Eier ausbilden zu können. Bei einigen Arten wie Haussperrling, Dohle und Meise ergaben Untersuchungen ein Land/Wald-Stadt-Gefälle in Hinsicht auf Vogelgröße und -gewicht. In Städten ist die Artendichte oft höher und die einzelnen Stressoren sind meist komplexer, was sich in einem niedrigeren Fortpflanzungserfolg ohne Ganzjahresfütterung im Vergleich zu den ländlichen Populationen niederschlägt.
Wann ist eine Zufütterung notwendig?
Mittlerweile ist aufgrund der vielen Stressoren das ganze Jahr über eine Zufütterung zu empfehlen. Vor allem auch im Sommer, ist sie essentiell, weil ein hoher Energiebedarf in der Brut und Aufzuchtphase besteht. In der Stadt finden sich oft Vogelarten, die häufig einer Mangelernährung unterliegen. Daher wird von Expert:innen empfohlen, in Städten Ganzjahres-Futterplätze einzurichten. Ganzjahres-Futterplätze können auch in großen Maßstab sinnvoll sein – Beispiele in England und in anderen Ländern zeigen positive Studienergebnisse. Gerade auch in der Kombination mit dem Anbringen von Nistplätzen scheint das ein wichtiger Schlüssel für die Bestandserholung einiger Arten zu sein (z. B. Star, Lerche, Ammer). Entgegen einigen Befürchtungen konnten Kameraaufnahmen zeigen, dass Altvögel von Staren und Kohlmeisen die natürliche Nahrung für ihre Jungen bevorzugen, statt ausschließlich auf das Angebot der Zufütterung zuzugreifen.
Was sollte ein gutes Futtermittel enthalten?
Energiereiche Futtermittel für Vögel, gekauft oder einfach selbst hergestellt, sollten verschiedene Komponenten beinhalten: Leinsamen(öl) wirkt sich äußerst positiv auf die Fortpflanzung aus. Mehlwurmextrakt, Sämereien wie Mohn, Hirse oder Hanf, dazu Getreideflocken, Sonnenblumenkerne, Nüsse und Rosinen ergänzen die bunten Meisenknödel, -kekse oder Futterzapfen.
Das Markenzeichen „defu – dem Leben verpflichtet“ kennzeichnet gut geeignetes Futtermittel.
Zu vermeiden sind billige Fette, die schwer verdaulich sind. Ebenso sind ganze Getreidekörner sowie minderwertige Kleie wenig nützlich. Bevorzugen Sie naturbelassene, ungewürzte Fette wie Rindertalg oder Kokosfett als Grundmasse, die mit etwas Speiseöl geschmeidig bleibt.
Dringend muss beim Kauf von Futter darauf geachtet werden, dass dort keine Ambrosia-Samen zugesetzt worden sind! Diese haben nämlich einerseits Allergie-Potential für die Tiere. Andererseits ist Ambrosia bei uns nicht heimisch und hat ein großes Verdrängungspotential gegenüber Pflanzenarten, die hier zuhause sind. Fachsprachlich: Ambrosia ist ein weithin unterschätzter Neophyt. Das gilt auch für andere Zusätze im Futter, die nicht heimischen Ursprungs sind und sich unkontrolliert in der heimischen Natur ausbreiten. Aus diesem Grunde ist die Selbstherstellung des Vogelfutters dringend zu empfehlen - bzw. das genaue Lesen der Produktinformationen.
Häufige Fehler und Irrglaube:
Egal ob Vogelhaus oder Futtersäule, eine regelmäßige Reinigung sollte durchgeführt werden, jedoch keine Desinfektion. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten die Infektionskrankheiten und Fallzahlen auch bei Vögeln gestiegen sind und vermutlich auch in Zukunft steigen werden! Die wichtigste Grundlage ist, dass die Futterstellen ganzjährig geöffnet und zugänglich bleiben. Allein schon Nestlinge von toten Elterntieren und mäßig erkrankte Tiere profitieren von den Futterstationen enorm. Ein weiteres klassisches Beispiel sind im Frühjahr die regelmäßigen Nachwintereinbrüche mit nassem oder kaltem Wetter während der Jungvogelaufzucht. Hierbei kann man drei verschiedene Fütterungsvarianten anbieten. Erstens die Bodenfütterung mit Streufutter. Zweitens geräumige Futterstellen, die auch gestreut sein können, so dass viele Arten bzw. Individuen Platz zur Nahrungsaufnahme finden. Drittens Silos mit Knödeln (z. B. Gitterwand oder Stahlspiralen als Futterspender).
Eigeninitiative gefragt!
Oft erreichen uns Anfragen von Bürger:innen, wie sie den Vogelschutz unterstützen können. Das ist schon mit einfachen Mitteln möglich: Wie oben beschrieben kann eine Energietankstelle selbst hergestellt und auf dem Balkon, Garten, im Beet vorm Haus, in der Schule oder Kindergarten bzw. in der Nachbarschaft eingerichtet werden. Eine Gemeinschaft, die sich um die Futterstelle regelmäßig kümmert, hat auch den Vorteil, die Kosten aufzuteilen. Im Garten sollte darauf geachtet werden, die richtigen Futterpflanzen für Vögel anzupflanzen. Dafür gibt es Pflanzlisten in Fachbüchern, bei Vereinen oder beim Naturschutzamt. Regenwürmer im eigenen Garten oder vorm Haus zu fördern ist auch empfehlenswert, denn diese sind bei Vögeln als Nahrung stets willkommen. Eine weitere Hilfe sind Engagement und Spenden an gemeinnützige Vereinigungen, die sich dem Arten- und Landschaftsschutz widmen.
Fazit:
Eine ganzjährige, systematische Fütterung zahlt sich für die Bestandszahlen, die Biomasse und die Lebensqualität bzw. Widerstandskraft (Vitalität, Immunabwehr) vieler Vogelarten aus, auch lokal und mit schneller Wirkung. Es wurde nachgewiesen, dass dabei die Bestandszahlen steigen bzw. die Sterblichkeit im Winter sinkt oder auch gefährdetet Populationen erhalten werden können. Auch wurde nachgewiesen, dass in Siedlungen etablierte Futterstellen, die von landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen umgeben sind, sehr effektiv sind, genauso wie in der Feldflur etablierte Futterstellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die ganzjährige Zufütterung auf viele Lebensbereiche positiv auswirkt; eine begünstigte Mauser durch einen früheren Beginn und schnelleres Federwachstum sei hier beispielhaft benannt. Von einer Abhängigkeit der wildlebenden Vögel kann nicht ausgegangen werden, da sie von sich aus stundenlang und bevorzugt auf der Suche nach natürlichen Nahrungsquellen sind, so dass das Zufüttern ein Bonus in schlechten Zeiten bleibt. Ausnahmen sind bei Straßentauben und Wasservögeln vorzusehen, die nicht gefüttert werden dürfen.
Peter Berthold und Gabriele Mohr nennen in ihrem Buch Vögel füttern - aber richtig zwei Meilenstein-Publikationen, die auch hier abschließend erwähnt sein sollen, um das Wissen zur Vogelfütterung erweitern zu können. Das Buch von Anita und Norbert Schäffer Vögel füttern im Garten: ganzjährig und naturnah erschienen 2017 im Ulmer-Verlag. Die Studie The composition of British bird communities is associated with long-term garden bird-feeding von Plummer et al. ist 2019 in Nature Communications erschienen.