Schätzungen des NABU zufolge werden in Deutschland jährlich fast 100 Millionen Vögel von freigängigen oder verwilderten Hauskatzen getötet. Dazu kommen noch einmal mindestens genauso viele Mäuse, Fledermäuse, Maulwürfe, Fische, Reptilien und Amphibien, aber auch Insekten wie Schmetterlinge und Libellen. In vielen Fällen fressen die Samtpfoten ihre Beute allerdings nicht, sondern befriedigen nur ihren Jagd- und Spieltrieb – gefüttert werden sie schließlich zu Hause. Oft wird die Beute auch nicht gleich getötet, sondern dient erst noch eine Weile als Spielzeug, bevor sie schließlich entweder erlegt oder liegengelassen wird und daraufhin ihren Verletzungen erliegt.
Die niederländischen Wissenschaftler Arie Trouwborst und Han Somsen machen Katzen für weltweit rund 370 bedrohte Tierarten mitverantwortlich und fordern ein Ausgangsverbot für die geliebten Haustiere. Sie berufen sich auf eine Studie, die 2016 veröffentlicht wurde und Hauskatzen zumindest die Mitschuld am Aussterben von mindestens zwei Reptilienarten, 21 Säugetierarten und 40 Vogelarten zuschreibt. NABU-Vogelexperte Lars Lachmann verweist hinsichtlich dieser Ausrottungsanschuldigung allerdings auf die Tatsache, dass diese Problematik vor allem auf Inseln besteht. Vogelarten, welche sich auf Inseln ohne Fressfeinde entwickeln konnten, haben z. B. die Fähigkeit zu fliegen vollkommen verlernt und sind so gegenüber eingeführten und verwilderten Hauskatzen schutzlos, sodass diese zum Aussterben bestimmter Arten führen können. In Deutschland allerdings gibt es keine derartig auf Räuber unvorbereiteten Arten, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass Katzen eine bei uns lebende Tierart in Gänze ausrotten könnten, äußerst gering ist.
Dass Katzen dennoch besonders in Siedlungsgebieten zu verschwindend geringen Bestandszahlen führen, ist nicht von der Hand zu weisen und gleichermaßen schnell wie einfach erklärt. In freier Wildbahn gibt es ein natürliches Räuber-Beute-Verhältnis, welches einem Grundsatz unterliegt: Gibt es viel Beute, können sich auch die Räuber gut vermehren und jagen dementsprechend mehr. So geht die Population der Beute zurück und in gleichem Verhältnis verringert sich kurz darauf auch die Menge der Jäger, da es weniger Beute gibt. Ist dieser Punkt, an dem es weniger Jäger gibt, erreicht, kann sich die Beute wieder in größerer Zahl vermehren, die Population erholt sich und der Kreislauf beginnt von vorn.
Nun kommen allerdings die Hauskatzen ins Spiel. Sie sind nicht von den Zahlen der Beutepopulation abhängig, da sie gefüttert werden oder sich, im Falle der verwilderten Hauskatzen, von menschlichen Abfällen ernähren und ihre Zahl nicht verhältnismäßig zur Beute kleiner wird. In Siedlungsbereichen gibt es also dieses natürliche Räuber-Beute-Verhältnis nicht. Dementsprechend herrscht ein ständig überhöhter Feinddruck auf Beutetiere wie Vögel und kleine Säuger.
Zusätzlich zur Gefahr des Getötet-Werdens, stehen Tiere allein schon durch die Anwesenheit von Katzen unter enormem Stress, was sich auf ihr Fortpflanzungs- und Brutverhalten auswirkt. So beeinträchtigen Katzen nicht nur direkt, sondern auch indirekt die Populationen.
Am Stadtrand und in Waldgebieten stellen die niedlichen Vierbeiner nicht nur für Beutetiere eine Gefahr dar. Sie sind auch für die in Deutschland ohnehin schon sehr seltenen Wildkatzen problematisch, da sie mit ihnen um Revier und Beute konkurrieren. Während diese für Wildkatzen überlebenswichtig sind, befriedigen Hauskatzen hier nur ihren Spieltrieb und stören Reviere von Wildkatzen durch Umherstreunen. Diese fühlen sich dadurch bedroht und lassen sich oft aus ihrem sowieso schon sehr seltenen Lebensraum verdrängen. Gleichermaßen paaren sich Hauskatzen aber auch mit Wildkatzen und zeugen Hybridformen, die zum Aussterben der „echten“ Wildkatzen führen können.
Hauskatze ist jedoch nicht gleich Hauskatze, die verschiedenen Haltungsformen zeigen unterschiedliche Gefahrenstufen für andere Tiere auf. Stubentiger stellen keinerlei Gefahr dar, da sie nie hinausgelassen werden. Freigänger, die nur zur Befriedigung ihres Spiel- und Jagdtriebes jagen, haben bereits großen Anteil an den von Katzen getöteten Tieren. Die treibende Kraft hinter dem katzenverschuldeten Populationsrückgang sind verwilderte Hauskatzen, von denen es in Deutschland gut zwei Millionen gibt, denn sie jagen nicht nur zum Zeitvertreib, sondern auch, um sich zu ernähren.
Das von Trouwborst und Somsen geforderte Ausgangsverbot für Katzen ist zu Zeiten in denen diese in der Gesellschaft so beliebt sind, eher unrealistisch. Es könnte zwar möglich sein, lokal ein Verbot auszusprechen und durchzusetzen, um gezielt die Erholung von gefährdeten Arten zu unterstützen, allerdings ist eine flächendeckende Maßnahme rechtlich nicht tragbar.
Lachmann empfiehlt eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für alle Freigänger und die Kastration bzw. Sterilisation aller verwilderten Hauskatzen. So kann man verhindern, dass sich die Katzen vermehren und den Druck auf Beutetiere erhöhen. Im Laufe der Zeit wird man auf diese Weise die Zahl der streunenden Katzen auf ein ungefährliches Minimum regulieren können. Der NABU-Vogelexperte bringt Paderborn als eine Beispielstadt zur Sprache, in der dieses Konzept bereits sehr gut funktioniert.
Hier noch ein paar Tipps, wie sie als Katzenbesitzer*in versuchen können, die wildlebenden Tiere in ihrem Garten und denen ihrer Nachbarn zu schützen:
- Lassen Sie Ihre Katze kastrieren bzw. sterilisieren. So schränken Sie ihr Jagdfieber und das Bedürfnis umherzustreunen ein.
- Spielen Sie viel mit Ihrer Katze, um ihren Spieltrieb zu befriedigen, dann macht sie draußen weniger Jagd auf Vögel, Mäuse oder Nachbars Kaninchen.
- Lassen Sie Ihre Katze von Mitte Mai bis Mitte Juli wenn möglich gar nicht, oder nur unter Aufsicht hinaus. In diesem Zeitraum werden Vogeljunge flügge und sind besonders leichte Beute, selbst für ungeübte Jäger.
- Hängen Sie Nistkästen und Futterhäuser katzensicher in mindestens zwei Metern Höhe auf, um Vögeln Sicherheit zu gewährleisten.
- Ein Katzenglöckchen ist nicht zu empfehlen. Zum einen gewährleistet es nur älteren und erfahrenen Vögeln Sicherheit, jungen oder kranken Beutetieren hingegen hilft ein Glöckchen nicht wirklich, da sie das Geräusch zwar wahrnehmen, damit aber entweder noch keine Gefahr verbinden, oder aber nicht mehr oder noch nicht in der Lage sind, zu fliehen. Zum anderen ist das Bimmeln der Glocke für die empfindlichen Katzen sehr unangenehm und anstrengend und setzt Ihre Katze unter Dauer-Stress.
Quellen:
https://www.nationalgeographic.de/tiere/2020/09/tod-durch-katze-die-232-opfer-eines-jahres
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/katzen/15537.html
https://academic.oup.com/jel/advance-article/doi/10.1093/jel/eqz035/5640440?searchresult=1