Umweltbüro Lichtenberg

Astrids Arche

Nach einer ausgiebigen Radtour quer durch die Stadt, stehe ich vor dem Eingang der Domäne Dahlem im Südwesten von Berlin. Das ehemalige Rittergut hat eine über 800-jährige Geschichte und vermittelt heute als Freilandmuseum für Agrar- und Ernährungskultur die Herkunft unserer Lebensmittel „Vom Acker bis zum Teller“. Ein kleiner Bioland-Betrieb ist Teil des Konzeptes und als Demonstrationsbetrieb für Ökologischen Landbau täglich für Besucher offen. Als anerkannter Arche-Hof trägt die Domäne Dahlem aktiv zum Erhalt gefährdeter Nutztierrassen bei. Ich bin mit Frau Masson, der Betriebsleiterin für den Bereich Landwirtschaft, verabredet und sehr gespannt, was ich den Lesern unserer Umwelt-Online berichten kann.

Auf dem Hof angekommen, weisen mir Hinweistafeln den Weg zu Tierställen, der Hofschmiede, Stellmacherei und Töpferei, dem Hofladen, Biergarten, Gemüsegarten und zu einem Feldrundgang, perfekt um Hof und Tiere kennenzulernen. Eine Tafel informiert mich über die Sesshaftwerdung des Menschen, in deren Zuge der Ackerbau entwickelt und Jagdwild domestiziert wurde. Wie der Begriff „Nutztier“ schon verrät, wurden die Tiere zum menschlichen Nutzen gehalten, neben Nahrung und Kleidung wurden auch Milch, Eier, Wolle, Leder usw. verwendet. Eine bunte Vielfalt an Nutztierrassen der 50er und 60er Jahre spiegelt die Unterschiedlichkeit unserer Landwirtschaft wider. So hatten sich die Tiere an Witterungs-, Boden-, und Futterverhältnisse angepasst. Einseitige Züchtungen auf Hochleistungen führten in den letzten Jahrzehnten jedoch zum Aussterben und dem Verlust vieler alter Rassen. In der Domäne Dahlem hält Bewegungsfreiheit, eine tiergerechte Fütterung und Zucht sowie die Auseinandersetzung mit Klimareizen die Tiere gesund und robust.
Ich beginne meinen Rundweg und entdecke auf der linken Seite einen etwa 1 ha großen Gemüsegarten mit besonders robusten Sorten. Die ökologische Landwirtschaft verzichtet hier grundsätzlich auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel und erhält die Fruchtbarkeit des Bodens durch vielseitige Fruchtfolgen, Stickstoff bindende Pflanzen und eigenen Kompost. In der Ferne kann ich nun schon die ersten Tiere entdecken.



Von weitem sehe ich vier Pferde auf der Weide grasen. Zwei junge Wallache - der hellbraune Dülmener und der graue Konik aus Polen - weisen noch kräftige Wildpferd-Anteile auf. Auch zwei Exmoor-Ponys sind zu sehen. Sie zählen zu den ältesten Pferderassen und gelten sogar als „Überlebende aus der Eiszeit“. Ein paar Schritte weiter sehe ich ein Deutsches Sattelschwein. Schweine sind „Allesfresser“ und wurden früher als Resteverwerter nebenbei gehalten, heute sind sie die Haupt-Fleischlieferanten in Mitteleuropa. Vorbei an einem Naturteich – Lebensraum für zahlreiche Tierarten, Laichplatz für viele Amphibien sowie Brut- und Rastplatz für Wasservögel – treffe ich auf eine Schauremise mit alten Landwirtschaftsgeräten, die größtenteils noch in Nutzung sind.


Ich erreiche das Kartoffelfeld am hinteren Ende des Geländes. Astrid Masson kommt auf mich zu und begrüßt mich mit einem netten Lächeln. Wir kommen sofort ins Gespräch und ich höre ihr gespannt zu. Als studierte Landwirtin führt sie nun schon 17 Jahre den Bioland-Betrieb der Domäne Dahlem.
„Seit wann ist die Domäne Dahlem ein anerkannter Arche-Hof und welche Anforderungen müssen erfüllt werden?“ frage ich interessiert. Seit 1999 trägt der Hof diesen Titel. Auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 11 ha werden acht Tierarten gehalten, mittlerweile alles bedrohte Haustierrassen der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. (GEH). Puten, Enten und Hühner, Pferde, Rinder und Schafe sowie Ziegen und Schweine gehören zum Tierbestand.
Um alte Rassen und ihre besonderen Eigenschaften zu erhalten, muss man züchten, selektieren und sie landwirtschaftlich nutzen, wird mir erklärt. Ein Arche-Hof ist grundsätzlich dazu verpflichtet, mindestens drei alte Rassen aus mindestens zwei Gruppen - der großen, mittleren und kleinen Tiergruppe – zu halten. Zwei Rassen müssen dabei aktiv züchterisch gehalten werden und im Herdbuch verzeichnet sein. Als Züchter gehört man dem jeweiligen Zuchtverband an, dieser ist dazu lizensiert, das Herdbuch zu führen und nachweislich alle Bestände alter und moderner Rassen zu dokumentieren. Die Domäne Dahlem gehört dem Rinder,- Schweine- und Schaf,- sowie Geflügelverband an. Frau Masson hebt hervor, dass unbekannte Kreuzungen nicht erwünscht sind, um das wertvolle Genmaterial zu erhalten. Es geht nicht um Zoohaltung, sondern um eine landwirtschaftliche Nutzung und der Erhaltung der alten Rassen.
Die GEH hat es geschafft, das Aussterben bedrohter Nutztierrassen in Deutschland zu stoppen, vorher passierte das am laufenden Band, so Frau Masson. Vielen Menschen ist dieser Aspekt überhaupt nicht bewusst. Nicht nur eine Vielzahl von Tieren auch viele Pflanzen gehen täglich verloren. Ist das nicht erschreckend?
„Nach welchen Kriterien wurden die Tiere ausgewählt?“ erkundige ich mich. Es ist angestrebt, Rassen zu halten, die tendenziell in der Region gezüchtet wurden und dementsprechend an die Region angepasst sind. Im Berliner Raum gibt es keine spezifischen Rassen, hier vor Ort werden die der Region am ehesten angepassten Rassen gehalten.
Seit 2008 gibt es ein Zugrinderprojekt, worüber ich gern mehr erfahren möchte. Frau Masson erzählt mir, dass die ganze Kartoffelpflege normalerweise mit dem Zugrind erfolgt - dem Roten Höhenvieh und dem Deutschen Schwarzbunten Niederungsrind. Jede Rasse hat ihre ganz individuellen Eigenschaften, oftmals sind diese nicht bekannt und werden nicht genutzt. Arche-Höfe legen darauf besonderen Wert und versuchen gezielt, die vor langer Zeit gezüchteten Eigenschaften der Tiere zu nutzen. „Wir möchten die Kulturtechnik beibehalten und Praktiken vermitteln, beides ist genauso erhaltenswert wie die alte Rasse selbst.“ Mit diesen Worten verabschieden wir uns und ich folge weiter dem Rundgang.

Im nächsten Weidenabschnitt erwarten mich die Thüringer-Wald-Ziege mit Zicklein und das Rauwollige Pommersche Landschaf, hornlos mit schwarzem Kopf und Beinen und einer blaugrauen feinkräuseligen Wolle. Diese Landrasse ist sehr genügsam und widerstandfähig. Ihre Heimat liegt „soweit sie noch Ostseeluft schnuppern können“ und endet südlich von Berlin.
Eine Traktor-Rundfahrt einer Kindergruppe mit freudestrahlenden Gesichtern zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Domäne Dahlem bietet ein umfangreiches Veranstaltungsangebot und zieht jedes Jahr viele hundert Besucher an. Schulklassen und andere Gruppen nutzen das Gelände als grünen Lernort, da erinnere ich mich an meinen Grundschulausflug hierher. Ein wirklich tolles Gelände, um Kindern verschiedener Altersgruppen Wissen über Nutztieren und Ökolandbau zu vermitteln.

Ich gehe weiter und komme den gerade erwähnten Zugrindern näher. Diese alten Rassen haben mit der heute verbreiteten Hochleistungszüchtung wenig gemeinsam. Sie geben zwar weniger Milch, benötigen dafür aber auch kein oder kaum Kraftfutter. Ausgewachsen können sie bis zu 600 kg wiegen. “Was für schöne und mächtige Tiere“, denke ich. Die Kindergruppe neben mir denkt wohl ähnlich und schaut den Tieren begeistert beim Fressen zu während sie den Worten einer der Museumspädagoginnen lauschen. Der Feldrundgang endet und führt mich an Streuobstwiesen vorbei zum Geflügelgatter, meiner letzten Station. Schwarze Pommernenten, braune Vorwerkhühner und grau-weiße deutsche Sperber sind zu sehen. Die Legehühner gehören alle robusten alten Rassen an. Sie haben keine extrem hohe Legeleistung wie moderne Hybridzüchtungen, so dass sie eher selten gehalten werden. Ich verweile kurz und schaue den Tieren zu.

Während ich mich zum Ausgang begebe, komme ich an Töpferei und Schmiede vorbei und gelange zum Museum im Herrenhaus. Den Besuchern wird hier die Kulturgeschichte landwirtschaftlicher Urproduktion, die Verarbeitung und der Handel bis hin zum Verzehr von Lebensmitteln vermittelt. Leider hat das Museum gerade geschlossen, ein Grund mehr, den Hof bald wieder zu besuchen. Bei einem abschließenden Cappuccino lasse ich meine Einblicke Revue passieren und fange die letzten Sonnenstrahlen, bevor ich meinen Rückweg antrete.

 

Umweltbüro Lichtenberg
Passower Straße 35
13057 Berlin
Tel:  030-92 90 18 66

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Präsenzzeiten:
Dienstag:          9 - 12 Uhr
Mittwoch:        14 - 18 Uhr
Donnerstag:    12 - 16 Uhr

und gern auch nach Vereinbarung

Impressum
Datenschutzerklärung

 

 

 

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Ok