Das Ganze ist eine logische Fortführung der Begeisterung für die Erhaltung alter Apfelsorten, alter Birnensorten, alter Tomatensorten, alter Kartoffelsorten und und und.
Als wir vor nunmehr knapp 20 Jahren mit der Rinderhaltung angefangen haben, war die Suche nach einer geeigneten robusten Rasse recht umfangreich und schwierig. Rinder für feuchte Standorte – geht doch gar nicht, war die fast einhellige Meinung. Die Geschichte lehrt uns aber etwas anderes.
Die Geschichte der Nutztierrassen, dazu gehören Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, Enten, Gänse, Tauben, war anfänglich daran orientiert, in allen Regionen einen Fleisch-, Eier- und Milchlieferanten zu haben und Rassen zu züchten, die an unterschiedlichen Standorten mit dem Nahrungsangebot und den klimatischen Bedingungen klarkommen, von den Bergen der Alpen bis hin zum Feuchtland der Küste. Als dann die Züchtung leistungsorientiert und industriell wurde, hatten viele Rassen keine „Marktchance“ mehr. Sie wuchsen nicht schnell genug, die Leistung reichte nicht aus oder die Spezialisierung auf ein bestimmtes Merkmal war nicht möglich. Das geht ganz vielen Apfelsorten, Tomatensorten, Kartoffelsorten und auch Nutztierrassen so.
Und deshalb ist es eine Freude, wenn die Rinder, auch Kühe ihre Hörner noch tragen. Denn die wurden weggezüchtet. Die sind im Stall und vor allem in der Massentierhaltung nur gefährlich.
Was aber auch gern vergessen wird, ist, dass durch die Haltung dieser Weidetiere ein ganz wesentlicher Beitrag zur Landschaftspflege und Erhaltung alter Kulturlandschaften geleistet wurde. Diese Pflege haben in der modernen Zeit Maschinen übernommen. Warum eigentlich? Auf der einen Seite beklagen wir die Massentierhaltung mit allen ihren negativen Folgen für das Tier und die Landschaft und andererseits investieren wir Millionen zur Landschaftspflege und Erhaltung von Naturräumen.
Von etwa 52.000 Wirbeltierarten gelten nur etwa 30 Arten als domestiziert. Aus diesen 30 Arten wurden weltweit über 10.000 Nutztierrassen gezüchtet. Heute sind etwa 8.300 Nutztierrassen bei der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (UN) erfasst. Die einzelnen Tierarten sind dabei unterschiedlich stark vertreten (siehe Abbildung).
86 % aller Rassen, d. h. mehr als 6.500 sind lokale, nur in einem Land vorkommende Rassen. Die restlichen ca. 1.000 Rassen sind zur Hälfte regional grenzüberschreitend verbreitet (z. B. Europa), bzw. gelten als internationale, d. h. weltweit vorkommende Nutztierrassen. Das größte Rassespektrum mit über 3.000 noch vorhandenen Rassen, weist dabei Europa einschließlich des Kaukasus auf. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in dieser Region die Erfassung und Charakterisierung auch am weitesten fortgeschritten ist.
Von den o. g. insgesamt erfassten Rassen gelten bereits 35 % als ausgestorben. Weitere 36 % sind im Bestand bedroht, bei 9 % ist der Status unklar. Letztlich sind nur 20 % der Nutztierrassen als nicht bedroht einzustufen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit des Schutzes nachdrücklich.
Von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen e. V. (GEH) wird eine separate Rote Liste zu einheimischen Nutztierrassen geführt. Diese enthält aktuell 87 Rassen in 5 Kategorien.
Jeden Monat stirbt eine Nutztierrasse unwiederbringlich aus. 95 % der heutigen Nutztiere in Deutschland sind Hochleistungsrassen. Entweder geben sie tausende Liter Milch, haben viel Fleisch auf den Rippen, legen hunderte von Eiern im Jahr, oder bilden besonders schnell und viel Putenbrustfleisch. Ob diese Tiere dabei gesund sind?
Abschließend möchte ich Prof. Dr. Dr. Kai Fröhlich vom Tierpark Arche Warder e. V. zu Wort kommen lassen, der auf die Frage „Warum sollte man alte Rassen erhalten?“ folgende Antwort gab: „Die alten Rassen gerieten durch die extreme Industrialisierung in der Landwirtschaft ins Abseits. Ihre Eigenschaften wie Robustheit, Vitalität, Anspruchslosigkeit und Fruchtbarkeit waren nicht mehr gefragt. Mit einer Massentierhaltung betreiben wir eine Naturzerstörung im großen Stil. Wir haben einen enormen Erosionsflächenverlust weltweit pro Jahr und verlieren jährlich die Fläche der BRD mit so einer intensiven Haltung. Die heutige intensive Tierhaltung bringt viel Profit, kurzfristig. Auf lange Sicht schöpft sie unsere Ressourcen ab.“
Laut Weltagrarbericht 2013 sichern kleinbäuerliche Strukturen vor Ort die Ernährung der Welt, „und dazu brauchen sie standorttreue Rassen. Unsere Zukunft liegt in einer leistungsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft. Und für die ist es unabdingbar, genetische Potentiale und Ressourcen alter Haustiere zu bewahren, um im Bedarfsfall auf Eigenschaften wie Langlebigkeit, Fruchtbarkeit und Robustheit zurückgreifen zu können.“
Der Tierpark Arche Warder, 80 km nördlich von Hamburg, hat 1.200 Nutztiere in 82 verschiedenen Rassen. Hier kann man noch eine ans Schwimmen angepasste Schweinerasse aus Kroatien, das Turopolje sehen. Die letzten 30 Tiere wurden während des Jugoslawienkrieges gerettet.
Der Besuch lohnt sich, denn nirgendwo kann man mehr gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen sehen. Dabei wird einem schnell sehr deutlich wie weit die industrielle Züchtung schon gegangen ist.