Das Verschwinden wichtiger Lebensräume trägt vermehrt dazu bei, dass unterschiedliche Wildtiere mitten im Stadtzentrum, wie auch in der Großstadt Berlin, zu Hause sind. Zu jeder Jahreszeit gibt es hier ein ausreichendes Nahrungsangebot, genug Unterschlupfmöglichkeiten und Feinde müssen kaum gefürchtet werden. Geht man aufmerksam durch die Stadt, können sich Begegnungen mit so manchen unserer tierischen Mitbewohner wie Störche, Füchse, Igel und Co ergeben. Viele dieser auch teilweise seltenen Wildtiere leben jedoch vorzugsweise versteckt. Zu ihrem Schutz ist Rücksicht und richtiges Verhalten zwingend notwendig. Mit dem folgenden Interview mit Frau Gruppe vom Umwelt- und Naturschutzamt, möchten wir unsere Leser für diese Thematik sensibilisieren. Die Antworten wurden inhaltlich gekürzt und zusammengefasst.
1. Stellen Sie bitte sich und Ihre Tätigkeit im Umwelt- und Naturschutzamt Lichtenberg kurz vor.
Mein Name ist Heike Gruppe. Ich bin Sachbearbeiterin und für den Artenschutz in Berlin-Lichtenberg zuständig. Zu meinem Tätigkeitsbereich gehören der internationale und nationale Artenschutz sowie der Freiland-Artenschutz. Zum Internationalen Artenschutz zählen die Anmeldung artgeschützter Tiere und die Kontrolle des Handels. Laut Bundesartenschutzverordnung muss der Besitz artgeschützter Tiere gemeldet werden. Die Bundesartenschutzverordnung regelt, welche Tiere einer Meldepflicht unterliegen. Bei der Kontrolle des Handels von geschützten Pflanzen und Tieren oder speziellen Präparaten sowie Holz, Schmuck, Pelzen usw. ist es unsere Aufgabe, die Nachweise über die legale Herkunft bei den jeweiligen Händlern zu überprüfen. Eine jährliche Kontrolle bei den gewerblichen Händlern wird empfohlen, ist jedoch aufgrund der großen Vielfalt der handelsrelevanten Produkte nicht realisierbar. Das Bundesnaturschutzamt gibt aus diesem Grund jedes Jahr bestimmte Schwerpunkte der Kontrolle vor.
Weiterhin gehört der nationale Artenschutz einheimischer Tierarten zu meinem Tätigkeitsbereich. Hier gibt es Artenhilfsprogramme, die für bestimmte in Lichtenberg lebende Tiere umgesetzt werden. Projekte für den Weißstorch, wie ein geplanter Storchenhorst in Wartenberg oder der Neubau einer Kleintierleiteinrichtung in der Hohenschönhauser Straße sind Beispiele hierfür. Das Hauptgeschäft bezieht sich zudem auf den Schutz von Niststätten der Gebäude- und Baumbrüter. Allgemeine gesetzliche Regelungen zum Artenschutz sind im Bundesnaturschutzgesetz, in der Bundesartenschutzverordnung, der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie, im Naturschutzgesetz der einzelnen Bundesländer und in der EG-Verordnung verankert.
2. Welchen Wildtieren kann man in der Stadt begegnen und welche davon leben speziell in Lichtenberg?
In der Stadt kann man ziemlich vielen Wildtieren begegnen. Eigentlich sieht man fast alle Tiere, die auch im Wald oder auf dem Feld anzutreffen sind. Wir haben zum Beispiel eine ganze Menge Greifvögel, wie Bussarde, Habichte und Turmfalken, aber auch Schwalben und andere Vögel, die hier über die Jahre heimisch geworden sind. Besonders stolz sind wir auf unsere Weißstorchenpaare, die berlinweit ausschließlich im Bezirk Lichtenberg auf drei Nestern vertreten sind. Auch Säugetiere, wie Igel, Feldhasen, Kaninchen und Füchse sind innerstädtisch zu finden. Natürlich gibt es auch Bienen, Wespen und Hornissen sowie Fledermäuse. Amphibien werden relativ selten gesichtet.
3. Sind einige dieser Tierarten in der Roten Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten Berlin/Deutschland aufgeführt?
Die Rote Liste der gefährdeten Pflanzen- und Tierarten ist eine regelmäßig aktualisierte Veröffentlichung, in der bedrohte Arten nach Gefährdungskategorien eingeordnet werden. Deutschlandweit wird hier ein einheitliches Kategoriensystem (0 = ausgestorben, 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet) verwendet. So sind, um nur Beispiele zu nennen, der Feldhase in der Roten Liste Deutschland und Berlin mit der Kategorie drei aufgelistet, der Weißstorch gilt bundesweit als gefährdet, berlinweit sogar als stark gefährdet.
4. Wie sollte man sich beim Zusammentreffen mit Wildtieren richtig verhalten bzw. was sollte man unterlassen?
Grundsätzlich sind Wildtiere Tiere, die in der Wildnis leben und demzufolge nichts mit dem Menschen zu tun haben und das auch nicht wollen. Das heißt also, der Mensch sollte dem Tier nicht zu nahe kommen, es weder füttern noch streicheln oder Jungtiere der Natur entnehmen und an andere Orte bringen. Der Mensch schafft für viele Wildtiere Futtergrundlagen, beispielsweise mit Abfalleimern oder Fressnäpfen. Wildtiere suchen sich ihre Nahrung da, wo sie am einfachsten zu finden ist, so dass im Nachgang Tiere angesiedelt werden, die - wie die Wildschweine - nicht unbedingt gewollt werden. Es ist zwar schön, dass viele Menschen tierlieb sind, jedoch ist das Füttern kontraproduktiv. Beim Zusammentreffen sollten die Tiere in Ruhe gelassen werden. Zudem ist es gesetzlich verboten, Tiere wie auch Pflanzen der Natur zu entnehmen.
5. Was sollte man beim Auffinden verletzter oder toter Tiere tun? Welche Ansprechpartner gibt es in solchen Fällen?
Verletzte Tiere kann man laut Gesetz kurzzeitig bei sich aufnehmen und gesund pflegen oder ihnen anders Hilfe gewähren. Kurzzeitig bedeutet, dass man das Tier anschließend wieder in die Natur frei gibt. Wenn der Halter des gefundenen Tieres Lichtenberger ist und das Tier privat gesund pflegen möchte, sollten wir, die untere Naturschutzbehörde, benachrichtigt werden. Weiterhin bietet der Naturschutzbund (NABU) für Bürgerinnen und Bürger Wildtierberatungen an (www.berlin.nabu.de/projekte/wildtierberatung/ ) oder die Möglichkeit verletzte Wildvögel in der Wildvogelstation (www.berlin.nabu.de/projekte/wildtierpflege/ ) in Marzahn-Hellersdorf zur Pflege abzugeben. Als einzige Anlaufstelle in Berlin, gibt es jedoch nicht für jedes Tier freie Kapazitäten. Zudem können verletzte Tiere zum Tierarzt gebracht werden, was jedoch sehr kostspielig ist. Wird ein Tier lebend oder tot aufgefunden, kann der Fund von jedem Bürger in unsere Wildtierdatenbank unter: www.berlin.de/ba-lichtenberg/freizeit/gruen/kontakt.php eintragen werden. Jedes dort eingetragene Tier gibt Aufschluss über die Artenvielfalt in Lichtenberg. Findet man ein totes Tier in einer Grünanlage, ist das jeweilige Straßen- und Grünflächenamt zu informieren, auf Straßen und Gehwegen ist das Ordnungsamt zu benachrichtigen. Stellt das tote Tier beispielsweise auf Straßen eine Gefahr dar, ist die Polizei zu informieren.
6. Wie können wir zum Schutz von Wildtieren in Lichtenberg beitragen?
Die Tiere in Ruhe lassen ist eine Sache, doch gibt es noch jede Menge anderer Möglichkeiten, zu ihrem Schutz beizutragen. So kann man u.a. entsprechende Freiflächen so naturnah wie möglich gestalten und mit einheimischen Pflanzen und Saatmischungen das Nahrungsangebot unterstützen. Wird der Garten „wild“ gelassen und Zäune bspw. nicht bis in den Erdboden gebaut, schafft man barrierefreien Lebensraum und Unterschlupfmöglichkeiten für verschiedene Wildtiere. So viel Natur wie möglich, und das auch in der Stadt, ist wichtig! Jeder Baum, jeder Strauch und jedes Stückchen Wiese bietet Wildtieren die Möglichkeit auf ein Zuhause. Achtsamkeit den Tieren und Pflanzen gegenüber ist zu ihrem Schutz unerlässlich.
Vielen Dank für das interessante Interview!
Als zusätzliche Informationsquelle möchten wir interessierten Lesern den Landschaftsrahmenplan des Bezirkes Lichtenberg 2006 empfehlen. Dieser informiert im Kapitel 2.5. (S.41ff.) detailliert über die Arten und Lebensräume in Lichtenberg. Das Dokument finden Sie unter: www.berlin.de/ba-lichtenberg/freizeit/gruen/gruen006.html.
Der Landschaftsrahmenplan wird derzeit vom Umwelt- und Naturschutzamt Lichtenberg überarbeitet.
Weitere Informationen:
Bezirksamt Lichtenberg von Berlin
Umwelt- und Naturschutzamt
Alt-Friedrichsfelde 60
10315 Berlin
Internationaler Artenschutz/ Freilandartenschutz Lichtenberg
Ansprechpartnerin: Frau Gruppe
Telefon/Fax: 030-90296-4294
Web: www.berlin.de/ba-lichtenberg/verwaltung/behoerdenwegweiser/bww07.html