Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) ist eine Wanderfischart zwischen zwei Kontinenten - Europa und Amerika. Die geschlechtsreifen, sogenannten “Blankaale“ wandern aus den Binnen- und Küstengewässern Europas ab und überqueren auf einer Reise von ca. 6.000 km den Atlantik, um ihr Laichgebiet zu erreichen. Es liegt zwischen den Westindischen Inseln und den Bermudas und ist ein Meeresgebiet, das als Sargassosee bezeichnet wird. Nach der Verpaarung und dem Laichen sterben die Elterntiere vor Ort.
Aus den abgelegten Eiern schlüpfen kleine Aallarven, die zunächst ein weidenblattförmiges Aussehen haben. Sie gelangen überwiegend durch passives Verdriften und mit Unterstützung des Golfstroms an den europäischen Kontinentalsockel. Wie lange die Wanderung dauert, ist nicht genau bekannt. Schätzungen reichen von sieben Monaten bis über zwei Jahre.
Wenn die kleinen Aallarven den europäischen Kontinentalsockel erreicht haben, wandeln sie sich auf ihrer weiteren Reise Richtung Küste zu unpigmentierten Jungaalen um. Sie sind dann durchschnittlich 7 cm lang und wiegen 0,27 g. Diese so genannten „Glasaale“ besiedeln den europäischen Küstenbereich und steigen die Flussmündungen stromauf, um die Binnengewässer zu besiedeln. Dort verbringen sie als „Gelbaale“ oder „Fressaale“ ihre Hauptwachstumsphase bis zum Eintritt der Geschlechtsreife. Diese wird in Abhängigkeit vom Geschlecht und den Umweltbedingungen nach 2 bis 60 Jahren erreicht.
Jungaal (Glasaal) nach seiner ca. 6.000 km langen Reise bis an unsere Küste
Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife kommt es zu auffälligen Veränderungen des Aussehens der Fische. Augen und Brustflossen werden größer, die Haut dicker und bronze- bis silberfarben. Als solche „Silberaale“ oder auch „Blankaale“ nehmen sie die Wanderung zurück in ihr Laichgebiet auf.
Um mehr über das Wanderverhalten von geschlechtsreifen Aalen während der ersten Phase ihrer Laichwanderung aus unseren Binnengewässern zur Küste zu erfahren, wurden sie mit Hilfe akustischer Telemetrie bei Ihrer Wanderung begleitet. Dazu wurden in der Havel mehrere Hundert Blankaale gefangen, mit kleinen Sendern versehen und am Fangort (rund 100 und 200 km oberhalb von der Mündung der Havel in die Elbe) wieder frei gelassen. Im Gewässersystem der Havel wurden insgesamt 12 automatische Telemetrieempfänger an sieben Empfangsstationen installiert, um die abwandernden Blankaale bei ihrer Passage zu registrieren. Außerdem waren Fischer und Angler über die Untersuchungen informiert, damit sie eventuell gefangene besenderte Fische melden.
Ein Gelbaal (im Bild unten) wie er in unseren Binnengewässern aufwächst, um dann als geschlechtsreifes Tier mit dem typischen Aussehen eines Blankaals (im Bild oben) zum Laichgebiet zurückzuwandern
Die Datenauswertung förderte im Zusammenhang mit weiteren Untersuchungen interessante Ergebnisse zutage:
Der Beginn und die Geschwindigkeit der Blankaalabwanderung werden vor allem durch die vier Faktoren Jahreszeit, Abflussregime im Gewässer (Wasserstand und Strömungsgeschwindigkeit), Wassertemperatur und Mondphase beeinflusst.
Die Blankaale haben bei uns zwei ausgeprägte Wanderungsphasen. Eine kürzere und kleinere in den Monaten April-Mai (Frühjahrsabwanderung) sowie eine deutlich ausgeprägtere in den Monaten September-November (Herbstabwanderung).
Der wichtigste Faktor für das Auslösen der Wanderungsaktivitäten der Blankaale ist die Wassermenge im Fluss. Wenn durch starke Regenfälle der Wasserstand und die Strömungsgeschwindigkeit im Fluss steigen, steigt auch die Zahl wandernder Blankaale an. Die meisten Blankaale bevorzugen für die Wanderung Wassertemperaturen zwischen 8°C und 12°C. Das Aktivitätsmaximum tritt jeweils zwischen abnehmendem Halbmond und Neumond auf. Nach dem Mondwechsel um Neumond herum sinkt die Wanderaktivität der Blankaale deutlich und die Tage um Vollmond werden von den Blankaalen weitestgehend gemieden. Nur in stürmischen, dunklen Nächten sind auch bei Vollmond starke Wanderungsaktivitäten möglich.
Blankaale wandern überwiegend nachts. Drei Viertel aller Wanderungsaktivitäten wurden im Zeitraum zwischen 17.00 und 05.00 Uhr registriert. Dabei liegen die Phasen höchster Aktivität in den Dämmerungs- und ersten Nachtstunden. Blankaale orientieren sich bei ihrer Abwanderung an der Strömung im Fluss und folgen meist der stärksten Strömung.
Die beobachtete mittlere Wandergeschwindigkeit der Blankaale war sehr variabel. Die meisten Blankaale wanderten mit Geschwindigkeiten < 5 km/Tag flussabwärts. Da diese Geschwindigkeit unter der Strömungsgeschwindigkeit im Fluss liegt, lassen sie sich anscheinend überwiegend passiv mit der Strömung treiben statt aktiv stromabwärts zu schwimmen. Oder sie legen zwischen Phasen mit aktiver Wanderung regelmäßig Pausen ein. Einige Aale erreichten auch höhere mittlere Wandergeschwindigkeiten von 8 – 33 km/Tag. Der schnellste Aal sprintete sogar mit 70 km pro Tag flussabwärts. Das zeigt, dass zumindest ein Teil der Aale schneller als die Strömungsgeschwindigkeit im Fluss, also auch aktiv wandert.
Der während der Abwanderung bevorzugte Tiefenbereich im Gewässer ist sehr variabel über die Zeit und zwischen verschiedenen Tieren. Die meisten Blankaale wechselten ihre Schwimmtiefe ständig, unabhängig von der Tageszeit. Sie schwammen dabei jedoch nur selten an der Wasseroberfläche oder über dem Grund, sondern hielten sich bevorzugt im oberen oder mittleren Bereich der Wassersäule auf.
Die meisten Aale nahmen unmittelbar nach dem Besendern ihre Laichwanderung wieder auf. Einige Blankaale legten aber auch eine längere Pause ein und setzten ihre Laichwanderung erst im folgenden Frühjahr oder Herbst fort. Dies zeigt, dass die Abwanderung zum Laichgebiet nicht in einem zielgerichteten „Marathon“ erfolgt, sondern dass in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen oftmals ein bis mehrere Unterbrechungen/Pausen im Verlauf der Wanderung eingelegt werden. Die Abwanderung der in der Havel besenderten Aale bis zur Elbe dauerte nach dem Besendern und Aussetzen von zwei Tagen bis über ein Jahr.