Gerade in Großstädten zerstört die fortschreitende Urbanisierung mit der Versiegelung von Freiflächen, Gebäudesanierungen und Baumfällungen natürliche Nistmöglichkeiten für Vögel, Insekten und Fledermäuse. Säuberlich werden Morsch- bzw. Totholz beräumt, verwitterte Gemäuer entfernt und bei Gebäudesanierungen und -neubau jede noch so kleine Öffnung verschlossen. Vögel und Insekten finden daher kaum noch natürliche Höhlen bzw. Nischen, um ihren Nachwuchs großziehen zu können.
In diesem Zusammenhang werden künstliche Niststätten zunehmend relevant, um den Vogelarten mit ihren verschiedenen Nistplatzansprüchen alternative Brutmöglichkeiten bereitzustellen, wobei drei Brutplatztypen zu unterscheiden sind.
Der Großteil der heimischen Arten gehört zu den Höhlenbrütern. Sie alle benötigen natürlich vorkommende Höhlen, wie sie in alten Bäumen, Feldspalten oder Mauerlöchern zu finden sind. Zu diesen Vogelarten gehören neben vielen anderen fast alle Meisenarten, Stare, Haus- sowie Feldsperling oder der Gartenrotschwanz, der aber auch als sogenannter Nischenbrüter anzutreffen ist. Da natürliche Höhlen immer seltener werden, können wir mit artgerechten Nistkästen nachhelfen. Je nach Lochgröße des Einflugloches geben wir Meise, Star oder Haus- und Gartenrotschwanz ein Zuhause.
Im Vergleich zu Höhlenbrütern benötigen Nischenbrüter nur kleine Nischen, in welche sie ihre Nester hinein bauen können. Dadurch sind sie meist flexibler in ihrer Neststandortwahl als Höhlenbrüter. Nischenbrüter werden auch als Halbhöhlenbrüter bezeichnet und nisten natürlicherweise in mehr oder weniger offenen Nischen an Bauwerken, Gebäuden und Felswänden. Zu den Nischenbrütern werden unter anderem Singvogelarten wie Wasseramsel, Bachstelze, Gebirgsstelze, Rotkehlchen, Grauschnäpper und Hausrotschwanz gezählt.
Gegenüber Höhlen- und Nischenbrütern legen Bodenbrüter ihre Nester in selbstgescharrten Mulden, beispielsweise im Gras am Boden oder im Schilf von Gewässern an. Typische Bodenbrüter sind Zaunkönig, Nachtigall und Rotkehlchen. Bodenbrüter haben es allerdings seit Jahren schwer, denn durch die intensive Bewirtschaftung von Feldern und Wiesen oder freilaufende Hunde und Katzen werden ihre Gelege oft zerstört. Zudem schrumpft ihr verfügbarer Lebensraum durch die intensive Bebauung von Freiflächen. So gehört z. B. die Feldlerche zu den gefährdeten Vogelarten in Deutschland. Zum Schutz dieser Art werden, bspw. auf dem Berliner Tempelhofer Feld, während der Brutzeit bestimmte Wiesenbereiche abgesperrt, da die weite Graslandschaft besonders gute Nistgelegenheiten für Bodenbrüter bereithält.
Während das Aufhängen der künstlichen Niststätten in seiner Bedeutung für die heimischen Vogelarten unumstritten ist, stellt sich das Thema Nistkästenreinigung komplexer dar.
Insbesondere Grundstücksbesitzer:innen tendieren dazu, die angebrachten Nistkästen im Sinne des eignen Sauberkeitsempfinden regelmäßig zu reinigen. Trotz bester Intentionen stehen diese Reinigungsmaßnahmen einer natürlichen Nutzungsdynamik entgegen.
Hierbei kann eine natürliche entstandene Spechthöhle (Abb. 1) stellvertretend die Nutzungsdynamik verdeutlichen und als beispielhaft für die Nistkastenpflege angesehen werden.
Grafikquelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt 2013
In diesem natürlichen Prozess schlägt der Specht eine Höhle in den Baum, meist in bestehendes Totholz. Hier zieht der Specht seine Jungen groß, bevor er die Höhle wieder verlässt. Die vorhandenen Baumhöhlen können nun von vielen anderen Tieren als Nistplatz genutzt werden, so zum Beispiel von Eulenarten und Kleinsäugern wie Eichhörnchen, Siebenschläfern oder Fledermäusen. Wenn die Höhle durch die intensive Nutzung bis zum Rand des Einflugloches mit Kot gefüllt ist, wird sie verlassen und folglich nicht mehr zum Brüten genutzt. Nun besiedeln Insekten die Höhle, da diese für sie einen idealen Lebensraum darstellt. Es setzt ein natürliches Recyclingsystem ein, bei dem organisches Material, welches sich in der Höhle angesammelt hat, abgebaut wird. Nach diesem Prozess ist die Höhle wieder für weitere Brutaktivitäten nutzbar.
In Analogie zum Beispiel der Spechthöhle, kann ein ähnlicher Prozess auch in künstlichen Nistkästen stattfinden. Somit ist es nicht immer erforderlich Nistkästen zu reinigen. Es ist nicht untypisch, dass vorhandene Nester von einem neuen Brutpaar einfach überbaut werden und so der Nistkasten mehrere Brutzyklen lang von verschiedenen Brutpaaren genutzt wird. Wichtiger als die eigentliche Reinigung wäre es, mehrere solcher Nistkästen bereitzustellen, so dass die Vögel, im Falle von übermäßigem Parasitenbefall, die Kästen wechseln können. In der Zwischenzeit werden die verlassenen Kästen von Insekten gereinigt, sodass sie danach wieder als Brutplatz zur Verfügung stehen. Die Abwesenheit der Vögel entzieht den Parasiten zudem die dringend benötigten Wirte.
Insgesamt stellt sich hinsichtlich der Nistkastenpflege der Ratschlag von Albert Einstein „Schau tief in die Natur und dann wirst du alles besser verstehen“ als zentral heraus. Eine regelmäßige Beobachtung, besonders in der Brutzeit von Anfang März bis Ende September ist unumgänglich, um sich für oder gegen die Reinigung künstlicher Nistkästen zu entscheiden. Erst wenn Nistkästen über mehrere Brutzyklen nicht mehr aufgesucht werden, kann eine Reinigung der Nistkästen hilfreich sein.