Umweltbüro Lichtenberg

Auf glühenden Kohlen

Die Regionalbahn kommt zum Stillstand, Zeit für mich auszusteigen. Am Bahnhof Raddusch, einem kleinen brandenburgischen Ort im Biosphärenreservat Spreewald, schließe ich mich einer kleinen Menschengruppe an, die sich am Ende des Bahnsteigs versammelt. Sebastian (SPREESCOUTS) und Mareike (ANU Brandenburg e.V.) möchten uns heute auf eine Reise in den Boden mitnehmen, die im Rahmen der Exkursionsreihe „Bodenbildungsboden“ stattfindet. Als Wasser- und Schadstoffspeicher, Nährstoff- und Rohstofflieferant, Baugrund und Klimaregler übernimmt der Erdboden lebensnotwendige Aufgaben. Täglich gehen jedoch wertvolle Flächen verloren. Der Boden ist nicht unendlich, das muss uns bewusst werden! Um die Öffentlichkeit für das Thema Bodenschutz zu sensibilisieren, wurde das Jahr 2015 zum „Internationalen Jahr der Böden“ ausgerufen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde besprechen wir den Tagesablauf und schon kann die Exkursion beginnen.

Die Lausitz ist Vattenfalls Energieregion Nr. 1. Nirgendwo produziert der Konzern mehr Strom und CO₂-Ausstoß als hier. Mit seinen fünf Braunkohletagebauen in der Region hat der Konzern großen Anteil an den zunehmend sichtbaren Umweltschäden. So führt der erste Halt zum Radduscher Hafen, der uns die verheerenden Folgen vom Braunkohletagebau klar vor Augen führt. Hier ist die Spree braun gefärbt, eine Folge des hohen Eisengehalts im Wasser. Das sogenannte Eisenhydroxid stammt vor allem aus den ehemaligen, aber auch aus den derzeit aktiven Tagebauen. Durch das inzwischen wieder ansteigende Grundwasser wird das Eisen zusammen mit Schwefel aus diesen Gebieten ausgewaschen. Beide Stoffe landen in großen Mengen in der Spree und ihren Zuflüssen. Die Eisenbelastung hat katastrophale Folgen für die gesamte Umwelt. Die Tier- und Pflanzenwelt leidet darunter, auch der Tourismus droht zu „verrosten“. Die Situation stellt ein zunehmendes Problem für den gesamten Spreewald dar. Aber nicht nur das: Der hohe Schwefelgehalt in der Spree gefährdet auch die Trinkwasserqualität für mehr als zwei Millionen Wasserkunden in Berlin und Frankfurt (Oder).  

An der Grubenwasserreinigungsanlage in Vetschau angekommen, sehen wir einen Lösungsansatz zur Reduzierung der Spreeverockerung. Hier erklärt uns Sebastian den Aufbau und die Funktion der Anlage, die auf Empfehlung des Aktionsbündnisses "Klare Spree" vor kurzem wieder in Betrieb genommen wurde. Teilmengen aus dem Vetschauer Mühlenfließ werden hier in Absetzbecken, die eine Größe von rund acht Fußballfeldern haben, umgeleitet. Das eisenhaltige Wasser fließt hier ganz langsam durch die Becken. Nach acht bis zehn Tagen haben sich die Eisen-hydroxidanteile als Schlamm am Boden abgesetzt und das saubere Wasser fließt weiter Richtung Spree. Die Ablagerungen müssen wahrscheinlich noch für Jahrzehnte regelmäßig entfernt werden, eine dauerhafte Lösung zur Entsorgung ist jedoch noch nicht gefunden. Das liegt auch an den enormen Kosten. So hat das Land Brandenburg im Jahr 2013 aus Steuergeldern neun Millionen Euro für Sofortmaßnahmen gegen die Verockerung der Spree ausgegeben. Für die Zukunft muss geklärt werden, wer eigentlich für diese Kosten aufkommen soll.

 

Unser dritter Halt ist der Tagebauaussichtspunkt Cottbus-Nord/Lakoma, ca. acht Kilometer vom Stadtzentrum Cottbus entfernt. Mein erster Besuch einer Kohlegrube. Die unglaubliche Weite erschlägt mich förmlich und macht mir bewusst, welche gigantischen Ausmaße diese Art der Energiegewinnung hat. Das Erschreckende dabei ist, dass der Tagebau Cottbus-Nord der kleinste in der Lausitz ist. Um Braunkohle zu gewinnen, muss der Boden bis zu 100 Meter tief abgetragen werden - und genauso tief muss auch das Grundwasser abgesenkt werden. Die seit Millionen von Jahren über der Kohle gelagerten Bodenschichten enthalten Verbindungen aus Eisen und Schwefel. Mit der Grundwasserabsenkung und Umgrabung des Bodens kommen diese erst mit Luft, dann mit Wasser in Kontakt und zerfallen zu Eisen und Schwefelsäure. In den letzten Jahren wurden in der Lausitz mehrere hundert Quadratkilometer Boden umgewühlt. Das führte zu einer enormen Bodenversauerung. Im Dezember 2015 ist das planmäßige Ende des Abbaus im Tagebau Cottbus-Nord erreicht. Die Anlage wird geschlossen, doch was passiert mit dem nun „leblosen“ Boden? Er muss rekultiviert werden, doch wie? Sebastians Frage ließ uns in Gedanken versinken, gemeinsam finden wir Antworten. Eine Möglichkeit ist, auf den Tagebaukippen Wälder oder auch Ackerflächen anzulegen. Sebastian erklärt uns, dass hier jedoch oft die Gefahr besteht, dass der Boden auch noch Jahrzehnte nach der Rekultivierung instabil ist und er plötzlich absackt oder sich große Risse bilden. Neue Dörfer kann man auf diesen Flächen also definitiv nicht errichten.
Die andere Möglichkeit ist, aus den alten Tagebaugruben Seen zu machen. Das ist deutlich billiger und entsprechend wird ein Großteil der alten Tagebaue in der Lausitz gerade zu einer großen, künstlichen Seenlandschaft umgewandelt. Aber auch das ist nicht ganz unproblematisch. Denn vor allem der Schwefel im Boden führt auch bei diesen Seen oft zu einer Versauerung und behindert die Entwicklung von neuem Leben. Zudem haben diese Seen oft einen Abfluss, der das saure Wasser in die Spree einleitet.

Das verbleibende Tagebaurestloch vom Tagebau Cottbus-Nord soll dennoch ab ca. 2018 mit Spreewasser geflutet werden. Badestrände und Häfen sollen entstehen. Der See wird dann eine Größe von ungefähr 1900 Hektar haben und den Namen „Cottbusser Ostsee“ tragen. Ob das aus ökologischen Gesichtspunkten die optimale Lösung ist, ist fraglich!

Die letzte Station führt nach Raddusch in die Stauabsenkung Süd. In diesem Gebiet wurden in der Zeit von 2001 bis 2014 verschiedene Maßnahmen im Rahmen des Gewässerrandstreifenprojekts Spreewald umgesetzt. Sebastian stellt uns das Projekt vor und berichtet über die positiven Auswirkungen auf den Bodenkörper und sein Ökosystem. Ziel des Projektes war es, die einst von Fließen, Wiesen und Niederungswäldern geprägte Kulturlandschaft des Spreewalds sowie ihre typischen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu entwickeln. Die Maßnahmen dafür fanden fast ausschließlich im ca. 8500 Hektar großen Kerngebiet statt, das zu 95 Prozent die Naturschutzgebiete „Innerer Unterspreewald“ und „Innerer Oberspreewald“ umfasst. Viele dieser Maßnahmen sorgen dafür, dass die Moorböden im Spreewald erhalten bleiben und so ihre Funktion als Wasser- und CO₂-Speicher erfüllen können.

Zurück am Bahnhof Raddusch endet der kleine Ausflug. Jeder verschwindet in unterschiedliche Himmelsrichtungen und auch ich trete meinen Heimweg an. Die Eindrücke der Exkursion werden mich noch lange begleiten.

Vielen Dank Mareike und Sebastian für die tolle Veranstaltung!

Im Flyer der Grünen Liga findet man weitere Informationen zum Thema Braunkohleabbau „Wie Vattenfalls Braunkohle Ihr Trinkwasser gefährdet“.

 

Umweltbüro Lichtenberg
Passower Straße 35
13057 Berlin
Tel:  030-92 90 18 66

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Präsenzzeiten:
Dienstag:          9 - 12 Uhr
Mittwoch:        14 - 18 Uhr
Donnerstag:    12 - 16 Uhr

und gern auch nach Vereinbarung

Impressum
Datenschutzerklärung

 

 

 

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Ok