Umweltbüro Lichtenberg

Zugvögel - Wenn Licht in den Tod lockt

Ein Schwarm Wachteln fliegt auf ihrer Zugroute die Donaumündung bei Sulina an. Doch in dieser Nacht werden die Vögel plötzlich mit einem Hindernis konfrontiert, auf das die Evolution noch keine Anpassung gefunden hat. Die Wachteln finden einen hellen Lichtstrahl, dem sie folgen. Er führt sie zu einem Leuchtturm. Während einige Vögel so stark von dem Licht geblendet werden, dass sie direkt mit dem Gebäude kollidieren, kreist der Rest im Lichtkegel. Viele sterben vor Erschöpfung. In der Morgendämmerung entkommt der Schwarm endlich dem Lichtkegel. Zurück bleiben 4000 tote Wachteln.    
Die Anziehungskraft von Leuchttürmen auf Zug- und Seevögel wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben. In den letzten hundert Jahren sind weitere beleuchtete Hindernisse dazu gekommen. Beleuchtete Hochhäuser, nach oben gerichtete Scheinwerfer, Funkmasten, selbst Flugzeuge werden zur nächtlichen Todesfalle. Besonders in stürmischen Nächten mit schlechten Sichtbedingungen folgen Vögel dem hellen Licht. 

In Deutschland hat es der hell beleuchtete Post-Tower in Bonn zu trauriger Berühmtheit gebracht, an dem jährlich mehrere hundert Vögel, vor allem Sommergoldhähnchen und Rotkehlchen, sterben. Von größeren Ausmaßen berichtet eine kürzlich erschienene Studie aus den USA. Seit 2002 wird mit dem Tribute in Light (TiL) jährlich dem Terroranschlag am 11. September 2001 gedacht. Dazu strahlen zwei Lichtstrahlen vom Ground Zero aus in den Himmel. Bereits im ersten Jahr wurde klar, dass dieses Ereignis ein Problem für die Zugvögel darstellte. Benjamin van Doren und sein Team sahen hier eine Möglichkeit genauer zu untersuchen, wie groß diese Auswirkungen sind. Ihre Ergebnisse geben Grund zur Besorgnis. 
Über einen Zeitraum von sieben Jahren wurden von dem jeweils siebentägigen Ereignis schätzungsweise 1,1 Millionen Vögel beeinflusst. Durchschnittlich zwanzig Mal mehr Vögel als üblich kreisten über dem Ground Zero und Radaraufnahmen lassen vermuten, dass die Scheinwerfer Vögel selbst in einer Entfernung von 1,5 Kilometern zu Veränderungen im Flugverhalten brachten. Die Vögel kreisten im Lichtkegel und riefen laut. Viele Tiere kollidierten mit Gebäuden oder anderen Vögeln. Wie viele Vögel ums Leben kamen, konnte nicht festgestellt werden, aber die Organisatoren zogen dennoch Konsequenzen. Sind zu viele Vögel im Lichtschein gefangen, wird das Licht für 20 Minuten abgeschaltet. Dann beruhigen sie sich und fliegen davon.  
         

Es ist schwer zu bestimmen, wie hoch die Todesrate durch beleuchtete Gebäude und Strukturen ist. Aasfresser und Reinigungspersonal beseitigen viele Vogelleichen oder die kleinen Körper werden im Gebüsch übersehen. Amerikanische Experten schätzen, dass in den USA und Kanada jährlich 6,8 Millionen allein an Funktürmen sterben. Das Fatal Light Awareness Program Kanada geht von bis zu einer Milliarden Vögel aus, die jährlich in Nordamerika an Gebäuden getötet werden. Die Todesraten sind höher im Herbstzug, da hier viele flugunerfahrene Jungvögel ziehen.  
Der direkte Tod im Licht ist jedoch nicht das einzige Problem für die Zugvögel. Wer überlebt, hat oft Stunden fliegend im Lichtkegel verbracht und wertvolle Zeit und Energie verloren. Erschöpfte Vögel ruhen sich in Bodennähe aus und sind dadurch gefährdeter durch Beutegreifer und Ratten. Um ihre Energiereserven aufzufüllen bleiben sie länger im nächsten Rastgebiet und erreichen ihren Zielort verspätet.     
Warum wirkt Licht so anziehend auf Zugvögel? Zugvögel navigieren mit Hilfe des Erdmagnetfeldes, aber auch nach Landmarken und den Sternen. Licht kann den Magnetrezeptor ausschalten. Fehlen dann durch die Wetterlage noch die visuellen Hilfen, werden die Vögel orientierungslos und folgen dem hellen Licht. Doch auch bei guten Sichtbedingungen wirkt helles Licht wie ein Staubsauger auf Vögel.  
   
Doch nicht jedes Licht wirkt gleich. Weißes, blaues und grünes Licht beeinflusst die Vögel weniger als gelbes und rotes; blinkende Lichter sind besser als konstante Beleuchtung. Und nicht zuletzt spielt die Intensität eine Rolle. Je heller ein Licht, desto stärker die Attraktivität für Vögel.      
Die massiven Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung auf Zugvögel sollten unseren Umgang mit künstlichem Licht prägen. Für Sicherheitsbeleuchtung von Türmen, Windrädern und Bohrinseln sind grüne oder weiße Blinklichter die bessere Lösung. Die Notwendigkeit ästhetischer Beleuchtung von Hochhäusern und Denkmälern sollte grundsätzlich hinterfragt werden. In Frankreich muss eine solche Beleuchtung um 1 Uhr nachts ausgeschaltet werden. Auch Bürobeleuchtung muss spätestens eine Stunde nach Arbeitsende abgeschaltet sein. Skybeamer, leistungsstarke Scheinwerfer, wie sie gerne bei Festivals oder von Clubs eingesetzt werden, sind eine besondere Gefährdung für eine Vielzahl von Tiergruppen. In der Lombardei sind sie bereits verboten. Allgemein sollte vermieden werden, dass Licht direkt in den Himmel strahlt, sei es durch Straßenlampen oder Werbetafeln. Nach unten gerichtetes Licht ist zudem viel kosten- und energieeffizienter.  
Zugvögel sind stark durch künstliche Beleuchtung bei Nacht betroffen. Die Forschung zeigt aber immer deutlicher, dass auch viele andere Tiergruppen und nicht zuletzt der Mensch gefährdet sind. Licht ist schön und gibt uns das Gefühl von Sicherheit, doch die Dunkelheit ist ein wertvoller Teil unseres Lebens. Nur wenn wir den Wechsel zwischen hellem Tag und dunkler Nacht erhalten, können wir unsere Umwelt wirklich schützen.
Mehr zum Thema Lichtverschmutzung können Sie im Blog Nacht-Licht (www.nachhaltig-beleuchten.de/blog) von Annette Krop-Benesch lesen. Merken Sie sich auch unseren Thementag „Wenn die Nacht zum Tag wird“ am 25.11.2018 um 16:00 Uhr im Umweltbüro Lichtenberg vor. Die Autorin des Artikels wird Sie über die Problematik informieren und wir werden bei einem „Light-Walk“ direkt vor der eigenen Haustür die Lichtverschmutzung erleben.

 

Quellen:
Benjamin Van Doren et al., 2017, High-intensity urban light installation dramatically alters nocturnal bird migration, Proceedings of the National Academy of Sciences, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1708574114
Travis Longcore et al, 2012, An Estimate of Avian Mortality at Communication Towers in the United States and Canada, PLoS ONE 7(4): e34025
FLAP Canada, https://www.flap.org/lights.php

 

 

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