Umweltbüro Lichtenberg

Wilde Tiere in der Stadt

Ein Fuchsrevier auf dem Potsdamer Platz, ein Wanderfalke, der im Turm des Roten Rathauses brütet, die Wildschweine, die Rastplätze, Supermärkte und Schulhöfe belagern, sind schon etwas Merkwürdiges, aber dennoch in der Stadt Alltag geworden.

Nachdem die Stadt sehr lange Zeit ein Ort der Unnatürlichkeit gewesen ist, wandelt sich jetzt das Bild deutlich. Die Großstadt ist ein Refugium der Artenvielfalt, das Umland nur noch ein Fluchtort.

Dass die Artenvielfalt abnimmt, ist nun schon fast jedem bekannt und wird von sehr vielen Autoren umfänglich beschrieben. Der Münchner Zoologe Josef H. Reichholf sagt dazu: "Die Bilanzen fürs ganze Land drücken … ganz klar aus: Die Artenvielfalt schwindet! Wie sähe es aber aus, wenn die Städte wirklich so unwirtlich gewesen und geblieben wären, wofür man sie gehalten hatte? Zum Glück sind sie anders, zum Glück für Mensch und Natur!"

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die eine Stadt wie Berlin für viele wilde Tiere attraktiv machen. Im Frühjahr, wenn die erste Brut der Vogelwelt geschlüpft ist, leben in Berlin etwa 10 Millionen Vögel, dreimal soviel wie Berliner. 140 Vogelarten, zwei Drittel aller in Mitteleuropa heimischen Arten, leben in der Bundeshauptstadt. 1000 Nachtigallen singen in städtischen Parks, fast so viele wie in ganz Bayern.
Den Stadtnachtigallen gefällt offenbar die vielfältige, kleinräumige Struktur der Parks und Friedhöfe mit dichten Hecken, offenen Wiesen, kleinen Teichen und Wasserläufen, mögen die noch so künstlich sein.

Der Berliner Hauptbahnhof und stillgelegte Gleisanlagen sind für den, eigentlich in Gebirgs- und Küstenlandschaften wohnenden, Steinschmätzer sehr anziehend geworden. Auf den Stadtbrachen wird weder gepflügt noch geeggt, vor allem aber wird nicht gedüngt. Die Magerkeit der Stadtbrachen zieht Pflanzen und Insekten an, die aus der Agrarlandschaft verdrängt wurden. Und nicht zuletzt sind alte Gleis- oder Fabrikanlagen Zonen der Ruhe mitten im Getümmel. Selten kommt dort ein Mensch hin, was man von Almen und Steilküsten nicht sagen kann.

Für einen Teil der tierischen Umlandflüchter bietet die Stadt die "bessere" Natur. Dass manche Menschen das mit ihrem ästhetischen Naturverständnis schwer in Einklang bringen können, stört sie nicht im Mindesten.

Viele Städte wachsen von Jahr zu Jahr mehr in das angrenzende Umland hinein und bieten Wildschwein, Fuchs und Co. einen neuen, urbanen Lebensraum. Auch die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung verdrängt viele Tiere aus der weiträumigen Landschaft. In der Stadt finden sie ein üppigeres Nahrungsangebot und vielfältigere Unterschlupfmöglichkeiten als in ihrer ursprünglichen Heimat. Der Mensch schafft den Wildtieren nahezu optimale Lebens- und Überlebensbedingungen. So ist das Klima in der dicht bebauten, versiegelten Innenstadt wärmer und trockener, am Stadtrand finden die Tiere in Flüssen und Stillgewässern, in Mülltonnen, auf Streuobstwiesen und in Vorgärten ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Natürliche Feinde stellen eine weitaus kleinere Gefahr dar als in der Wildnis. Der Mensch wird vom Jäger zum Ernährer.

Waermebild KasselIn Großstädten wie Berlin erobern die nachtaktiven Raubtiere städtische Randgebiete, besetzen Dachböden und durchforsten Mülltonnen nach Nahrung. In ihrem Verhalten ähneln sie dem Steinmarder, der unter den städtischen Wildtieren längst kein Exot mehr ist. Als einer der ältesten Kulturfolger des Menschen eroberte er schon im Mittelalter die Stadt als Lebensraum. Aus dem Steinmarder, der ursprünglich in Steinbrüchen und Felslandschaften beheimatet war, ist mittlerweile ein regelrechter Hausmarder geworden, der es sich auf Dachböden gemütlich macht. Hier ist es trockener, wärmer und geräumiger als in den meisten Schlupfwinkeln in der freien Natur.

Spektakuläre Stadtbewohner sind Fuchs und Wildschwein. Sie kommen nicht in die Stadt, weil es ihnen draußen in Feld und Flur zu eng wird. Die Bestände beider Arten sind in den vergangenen Jahrzehnten in Europa sprunghaft gewachsen. Auch intensive Jagd konnte diese Populationsdynamik nicht umkehren. Das Wildschwein mästet sich an den Früchten der Turbo-Landwirtschaft, der Fuchs findet überall Mäuse und verschmäht darüber hinaus nichts, was ihm halbwegs verdaulich erscheint. Sie suchen in der Stadt also keine Nische, sondern zusätzliche Ressourcen. Durch Lernen und Gewöhnung werden sie zu Stadtfüchsen und Stadtschweinen werden.

Nirgends finden Wildtiere so viele unterschiedliche Biotope auf so engem Raum wie in der Stadt. Wenn sie es einmal geschafft haben, sich hier einen Lebensraum zu erobern, ist ihre Überlebenschance hoch. Ihr größter Feind ist der Straßenverkehr. Doch die Wildtiere zeigen sich äußerst anpassungsfähig und gewöhnen sich schnell an das urbane Treiben. So leben Kaninchen in Lichtenberg in Friedrichsfelde direkt an der sechsspurigen Straße Alt-Friedrichsfelde und in anderen Städten auf Verkehrsinseln von vielbefahrenen Straßen. Die städtischen "Inselbewohner" lassen sich vom Verkehr nicht stören und werden dort bis zu zehn Jahre alt. Und auch dann, wenn das Störpotenzial der Großstadt einigen Tieren zu hoch wird, wissen sie sich zu helfen: In Berlin weichen Stockenten aus Mangel an geeigneten Brutplätzen auf Balkone aus.

So ist es nicht verwunderlich, dass Fuchs und Wildschwein, Nachtigallen und Steinschmätzer immer häufiger in der Stadt angetroffen werden. Man muss keine Sorgen oder Angst haben oder sie füttern oder vergrämen oder sich sogar von ihnen belästigen lassen. Es sind die Berliner, die in Sachen Stadtnatur noch einiges lernen müssen – unter anderem Respekt vor den Mitbewohnern.

 

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