Umweltbüro Lichtenberg

Agroforstwirtschaft - Stabilität durch Vielfalt

Agroforstwirtschaft – traditionelle Nutzungsform mit Zukunftspotential

Anders als so mancher denkt, geht es bei der Agroforstwirtschaft nicht um die Verknüpfung von Agrar- und Forstwirtschaft. Vielmehr geht es darum, Bäume und/oder Sträucher mit landwirtschaftlichen bzw. gärtnerischen Kulturen und/oder Tierhaltung zu kombinieren. Dabei kann es sich um Grünland mit Tierhaltung (silvopastoral), um Ackerkulturen oder sogar um Gemüsekulturen handeln (silvoarabel). Forstlich genutzte Kulturen werden dabei jedoch nur selten eingesetzt. Elementares Ziel dabei sind positive Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten, sowohl ökologische, als auch ökonomische und soziale.

 

Dieses scheinbar innovative Konzept stellt eigentlich eine uralte Landnutzungsform dar, die bis ins 19. Jahrhundert auch in Deutschland breite Anwendung fand. Zu nennen sind die auch heute noch bekannten  Streuobstbestände, die ehemals auch mit Acker- und Gemüsekulturen bewirtschaftet wurden. Für unsereins kaum mehr vorstellbar, waren das einst intensiv bewirtschaftete und damit hochproduktive Flächen. Als Weltmarkt und globalisierter Handel noch unbekannte Begriffe waren, standen Aspekte wie Selbstversorgung und Ernährungssicherheit im Zentrum der vorwiegend regionalen Wirtschaftsweise. So war es zwingend notwendig, die Vielfalt an Nahrungsmitteln, auch auf den eigenen Flächen anzubauen.

 

Die zunehmende Rationalisierung und Intensivierung der Landwirtschaft, in der Bäume als Störfaktoren angesehen werden, sorgte für das Ende der Kulturlandschaft prägenden Baumfeldwirtschaft und degradierte sie zu reinen Naturschutzmaßnahmen.

 

Die Renaissance der Agroforstwirtschaft

Die Landwirtschaft in Deutschland ist hochproduktiv. Weshalb also Bäume pflanzen, die den Ackerkulturen auch noch Platz, Wasser und Licht wegnehmen? Die Dürren der vergangenen Jahre, aber auch Starkregenereignisse und die Erkenntnisse um schwindende Artenvielfalt haben gezeigt, dass es in der Landwirtschaft einer Umorientierung zu zukunftsfähigen Modellen bedarf. Doch welche Vorteile bringen Agroforstsysteme mit sich?

 

Historisches Agroforstsystem mit Obst, Acker
und Grünland in Franken (C) Christoph Meixner

 

Tab. 1 Vorteile der Agroforstwirtschaft hinsichtlich der Ökologie und Ökonomie

Ökologie

Ökonomie

Steigerung der Biodiversität über die Bereitstellung von Nist- und Nahrungsangeboten für Insekten und Vögel1

Positive Ertragseffekte und höhere Ertragsstabilität bei annuellen Kulturen aufgrund eines verbesserten Mikroklimas (z.B. durch Windschutzwirkung der Baumstreifen2 3 4

Schaffung von Strukturen der Biotopvernetzung und Rückzugsgebiete für Wild5 6

Verbesserter Schutz der Ackerkulturen gegen Extremwetterereignisse7

Förderung von zahlreichen Pflanzen- und Tierarten durch Gehölz- und Saumstrukturen
8 9

Langfristige Erhalt der Bodenfruchtbarkeit über die Steigerung des Humusgehalt und der Verringerung von Wind- und Wassererosion
10

Verbesserung der Wasserqualität in ober- und unterirdischen Gewässern
11

Erweiterung der landwirtschaftlichen Produktpalette (Produktdiversifizierung)

Erhöhung der Wasserinfiltrationsrate
12

Bessere saisonale Verteilung von Arbeitsspitzen (Bewirtschaftung der Gehölze überwiegend im Winter)

 

 

Für Landwirt:innen sind die Effekte auf den Ertrag der Unterkulturen von hoher Relevanz. Im Vergleich zu Reinbeständen nutzen Anbauformen mit Pflanzen unterschiedlicher Wuchshöhen den Boden (Nährstoffe und Wasser) und die Sonneneinstrahlung auf der Fläche effizienter. Bei einem durchdachten Flächendesign und entsprechendem Management der Flächen ist eine Steigerung der Gesamtproduktivität zwischen 36 und 100 Prozent im Vergleich zu Reinkulturen möglich! 13

 

 

 

 

In dieser jungen Walnussplantage in Hessen ist
noch ausreichend Platz für Getreideanbau

(C) Nicolas Haack

 

Etwas anschaulicher wird es bei silvopastoralen Systemen: Werden beispielsweise Pappeln in einen Hühnerauslauf gepflanzt, werden folgende positive Effekte generiert:

  • Tierverluste durch Greifvögel sinken
  • Als ursprüngliche Waldrandbewohner fühlen sich Hühner unter Bäumen sehr wohl
  • Schnellwachsende Gehölze können nach wenigen Jahren als Hackschnitzel, Spanplatte, Zaunpfosten etc. genutzt werden
  • Baumwurzeln schützen den Boden und nehmen Nährstoffe auf, was zu einer höheren Grundwasserqualität führt

Bemerkenswert: Das alles findet auf einer Fläche statt, die ansonsten lediglich Auslauffläche ohne ertraglich relevanten Nutzen gewesen wäre!

 

Damit sich diese Vielzahl positiver Effekte einstellen, ist eine an den Betrieb und Standort angepasste Planung notwendig, die nicht nur die Pflanzung berücksichtigt, sondern die gesamte Nutzungsdauer der Agroforstsysteme sowie den gesamtbetrieblichen Kontext im Blick hat.

 

 

 

 

 

 

 

Die Pappeln im Hühnerauslauf sorgen dafür,
dass die Tiere sich weiter in der Fläche verteilen

(C) Christoph Meixner

 

Hemmnisse

Obwohl die EU schon seit 2005 großzügige Förderprogramme für die Agroforstwirtschaft bereitstellt, wurden diese nicht in das nationale Agrarrecht übertragen. Doch seit diesem Frühjahr ist klar: Diese nachhaltige Landnutzungspraxis erfährt parteiübergreifend große Unterstützung und soll folglich Teil der kommenden GAP werden. Da Agrarpolitik zu großen Teilen auch Ländersache ist, entwickeln aktuell die Länder eigene Positionen zu der Thematik (z. B. Thüringen, Niedersachsen und Brandenburg). Bis die Beschlüsse gefasst sind, muss sich die Landwirtschaft noch mit den gegenwärtigen Hürden auseinandersetzen.

Ebenso können die Finanzierung sowie das notwendige Wissen rund um die Agroforstwirtschaft Hemmnisse für die Praxis darstellen. Für viele Vorhaben können allerdings auch jetzt schon projektindividuelle Lösungen gefunden.

 

Weitere Infos gibt es auf folgenden Homepages:

- Fachverband für Agroforstwirtschaft (www.defaf.de)

- Bildung, Beratung, Planung von Agroforstsystemen (www.triebwerk-landwirtschaft.de), Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon: 0157-74732472

 

Quellen:
1. Bärwolff M, Vetter A, Böhm C, Hoffmann J, Schmidt C (2011) Projekt AgroForstEnergie—Was bringen Streifen-Kup? Energ Pflanz 2, 10–12
2. Böhm C, Tsonkova P (2018) Effekte des Agrarholzanbaus auf mikroklimatische Kenngrößen. Veste M, Böhm C (Hrsg.): Agrarholz – Schnellwachsende Bäume in der Landwirtschaft, Biologie – Ökologie – Management, Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg, S. 335–
390
3. Böhm C, Kanzler M, Pecenka R (2020) Untersuchungen zur Ertragsleistung (Land Equivalent Ratio) von Agroforstsystemen, Loseblatt #35 Innovationsgruppe AUFWERTEN
4. Seitz B, Carrad E, Burgos S, Tatti D, Herzog F, Jäger M, Sereke F (2017). Erhöhte Humusvorräte in einem siebenjährigen Agroforstsystem in der Zentralschweiz. Agrarforschung Schweiz, Recherche Agronomique Suisse 8 (7–8), 318–323)
5. Reeg T, Bemmann A, Konold W, Murach D, Spiecker H (2009) Anbau und Nutzung von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen. Weinheim: Wiley-Vch.
6. Spiecker H, Springmann S, Morhart C, Konold W, Oelke M, Mastel K, Seidl F (2010) Multifunktionale Bewertung von Agroforstsystemen. Abschlussbericht (DBU-Aktenzeichen: 25786-33/0)
7. Palma J, Graves A, Bunce R, Burgess P, de Filippi R, Keesman K, van Keulen H, Liagre F, Mayus M, Moreno G, Reisner Y, Herzog F (2007) Modeling environmental benefits of silvoarable agroforestry in Europe. Agric Ecosyst Environ 119, 320–334.
8. Burmeister J (2014) Einfluss von Agroforst-Hecken auf die epigäische Bodenfauna. In: Wiesinger K, Cais K, Obermaier S (Hrsg.): Angewandte Forschung und Beratung für den ökologischen Landbau in Bayern. Ökolandbautag 2014, Tagungsband. –Schriftenreihe der LfL 2/2014, 164–168
9. Dauber J, Baum S, Masur D, Sevke-Masur K, Glemnitz M (2018) Agrarholzanbau und Biodiversität. Veste, M. und Böhm, C. (Hrsg.): Agrarholz – Schnellwachsende Bäume in der Landwirtschaft, Biologie – Ökologie – Management, Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg, S. 391–432
10. Palma J, Graves A, Bunce R, Burgess P, de Filippi R, Keesman K, van Keulen H, Liagre F, Mayus M, Moreno G, Reisner Y, Herzog F (2007) Modeling environmental benefits of silvoarable agroforestry in Europe. Agric Ecosyst Environ 119, 320–334
11. Gebel M, Halbfass S, Bürger S, Lorz C (2013) Long-term simulation of effects of energy crop cultivation on nitrogen leaching and surface water quality in Saxony/Germany. Reg Environ Change, 1–13Ryszkowski L, Kędziora A (2007) Modification of water flows and nitrogen fluxes by shelterbelts. Ecol Eng 29, 388–400.
12. Ilstedt, U., Bargués Tobella, A., Bazié, H. et al. Intermediate tree cover can maximize groundwater recharge in the seasonally dry tropics. Sci Rep 6, 21930 (2016). https://doi.org/10.1038/srep21930
13. Lehmann, Lisa & Smith, Jo & Westaway, Sally & Pisanelli, Andrea & Russo, Giuseppe & Borek, Robert & Sandor, Mignon & Adrian, Gliga & Smith, Laurence & Ghaley, Bhim. (2020). Productivity and Economic Evaluation of Agroforestry Systems for Sustainable Production of Food and Non-Food Products. Sustainability. 12. 5429. 10.3390/su12135429.

 

 

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